Christine Marendon Christine war eine ganze Weile das einzige
weibliche Wesen außer mir in der "Blaupause". Sie gefiel
mir wegen des Witzes ihrer Kommentare und ihrer
Schlagfertigkeit schon bevor sie eigene Texte einstellte und war
mit ausschlaggebend für den eigenen,
übermütig fröhlichen Ton, der in diesem Literaturforum herrschte. Wenn sie nicht da war, fühlte ich mich ein
wenig verloren unter so vielen männlichen 'Kollegen'.
Später traf ich sie auch in
anderen Foren. Persönlich lernten wir uns kennen auf der
Buchmesse in Frankfurt 2000, später anlässlich verschiedener
Lesungen und bei einem Besuch bei ihr in Fürth. Inzwischen wohnt
sie schon einige Zeit in Hamburg und wir sehen uns gelegentlich.
Unser erstes Wiedersehen fand zünftig statt, bei einer Lesung im
Literaturhaus, wo sie im Rahmen der Reihe "Perlen vor die Säue"
Gedichte vorlas.
Veröffentlichungen :
Christine Marendon ist
Autorin der Anthologie "Schattenwelten"
Als
Tallin im Projekt "pixel-ich" des Berliner Zimmers
Lina"-Geschichte
im neuen "Wandler. Zeitschrift
für Literatur. Nr. 29, 2001/02" |
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Vogelkind
In der Wohnung, in der ich als Kind lebte, gab es einen alten
Kohleofen. Riesig, gusseisern, mit quietschender Tür und schwerem
Rost, den man anheben konnte. Auf dem Rost stand Winters ein
Aluminiumkessel mit Wasser. Sommers war der Ofen leer, ohne Feuer.
Manchmal gerieten Vögel in den Kamin und verflogen sich in das
Ofenrohr. Dann hörte man Zwitschern und Flügelschlagen, ein Surren
wie aus dem Kern der Erde, von ganz weit weg. Dann bewegte mein
Großvater den Rost, hob den runden Eisendeckel hoch und öffnete
das Fenster. Meist gelang es dem kleinen Tier, den Ausweg zu
finden. Manchmal auch nicht, dann konnte es sein, dass über viele
Stunden das Kratzen und Schlagen des verendenden Vogels zu hören
war.
Ich saß dann auf dem Boden, an den Ofen gelehnt, der im Winter so
heiß war, dass er die Haut verbrannte, im Sommer so kühl, dass man
fror. Ich saß und presste das Ohr an das kalte Eisen. Ich drückte
meine Augen fest zu und hoffte, dass der Vogel meine Gedanken
spüren konnte. Ganz laut dachte ich an ihn, schrie ihm zu, dass er
nur noch ein Stück weiter müsse, noch ein kleines bisschen
Flattern und Hüpfen.
Wenn er nicht kam, erhob ich mich, erschöpft, als hätte ich etwas
Schweres zu tragen. Als wäre es mein Körper, der dazu bestimmt
ist, mit dem ersten Heizgang zu verbrennen.
© Christine Marendon
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