madonnas archiv

März 2000


Dies war das erste Schreibprojekt,
an dem ich im Cycosmos teilgenommen
habe. Eine Reihe von Wörtern waren
in den Text einzubauen. Ohne diese
Aufgabenstellung wäre dieser Text nie
zustande gekommen.

Unten die Vorgaben und der Link zu einer weiteren Geschichte die nach diesen Vorgaben entstand: Die Nacht

                       

 

 

 

 

                               

 

 

 

Himmelsriss und Schneegestöber


Himmelsriss und seine Schwester Schneegestöber lebten seit vielen Jahren in einer dunklen Kammer. Seit einer Ewigkeit hatten sie kein Tageslicht gesehen und keinen Sonnenschein auf ihrer Haut gespürt, und das kam so:
Vor langer Zeit war ein Streit entbrannt zwischen dem Zauberer Hibiskus, ihrem Vater, und dem Zauberer Gicht. Dieser Streit war mehr, als die normale Eifersüchtelei unter Kollegen. Sowohl Hibiskus wie auch Gicht erhoben Anspruch auf die Nachfolge des Zauberers Tempelpforte, nach dem dieser gestorben und das Reich der Zauberer und Hexen plötzlich führungslos war. Nun wurde in diesem Reich der Nachfolger nicht gewählt, sondern die Bewerber um dies Amt mussten Ihren Anspruch durch ihre Zauberkraft legitimieren. Das anfangs harte Ringenr, bei welchem sich die Wagschale mal zur einen mal zur anderen Seite neigte, artete aus, als sich ein Vorsprung für Hibiskus abzeichnete. Eines Tages war sein Hund vergiftet, seine Diener verließen ihn über Nacht, sein Zauberschimmel wurde entführt und drei Tage später brannte sein Haus. Hibiskus musste fliehen, weil er seines Lebens nicht mehr sicher war.
Das Reich fiel in die Hände des Tyrannen Gicht, aber nicht nur das Reich. Auch Himmelsriss und seine Schwester, die damals noch Kinder waren, und die nichts als ihr Leben aus dem brennenden Haus hatten retten können, wurden seine Gefangenen und Geiseln. Solange Gicht sie in seiner Macht hatte, fühlte er sich sicher, denn er wusste, dass Hibiskus nichts gegen ihn unternehmen würde. Er sperrte die Geschwister in ein stockfinsteres Verließ, so dass sie nicht wussten ob Tag war oder Nacht. Dort wuchsen sie heran. Himmelsriss wurde ein schöner Jüngling und Schneegestöber wäre ein liebliches junges Mädchen gewesen, hätte nicht eine Gesichtsstarre ihre Züge verzerrt, als Folge des Entsetzens jener Nacht, als ihr Haus brannte und der geliebte Vater fliehen musste.

Eines Tages (oder war es Nacht?), als sie bei Kerzenschein in ihrem Gefängnis eng beieinander saßen, hörten sie ein feines Gewisper: „Rettung ist nah. Rettung ist nah.“ Erstaunt sahen sie sich um und gewahrten eine kleine weiße Natter, die sich schlängelnd in einem Kreis lautlos um sie herum bewegte. „Woher kommst denn du?“, fragte Himmelsriss. - „Der Zauberer Hibiskus, eurer Vater, schickt mich“, antwortet das Schlänglein. „Morgen um die gleiche Zeit wird er kommen und den Zauberer Gicht verjagen. Er hat zwei mächtige Verbündete gewonnen, den Herbststurm und die Kälte. Sie werden Gicht den Garaus machen.“ - „Zuvor wird der uns töten“, sagte Schneegestöber. - „Ich bin gekommen, euch von hier fortzuführen“, erwiderte die Natter. „Aber wie?“, fragte Himmelsriss. „Wie sollen wir fliehen? Die Tür ist verschlossen.“ „Wo ich herein gekommen bin, da können wir auch hinaus“, antwortete die Natter und deutete auf einen Riss in der Wand, durch den ein schwacher Lichtschimmer hereindrang. - „Aber es ist so hell da draußen, die Wächter werden uns uns entdecken und ergreifen“, sagte Schneegestöber. -„Wo denkst du hin?“, beruhigte sie die Schlange. „Seht, hier habe ich für jeden von euch eine Kappe, die euch unsichtbar machen wird. Schließlich ist euer Vater immer noch ein mächtiger Zauberer.“ Da fassten die jungen Leute Mut und folgten dem Tier durch den Spalt in der Wand, der sich vergrößerte, sowie sie hindurchschlüpften ins Freie gelangten.
Geblendet von der ungewohnten Helligkeit blieben sie einen Augenblick lang stehen, doch die Tarnkappe verbarg sie vor den Wächtern und sie entkamen unbemerkt in den nahegelegenen Wald. Da stand auf einer Lichtung der Zauberschimmel. Er schnaubte leise, und Schneegestöber lief auf ihn zu und umschlang seinen Hals. „Hier werde ich euch verlassen“, sagte das Schlänglein. “Wir sehen uns wieder, wenn die Schlacht geschlagen ist. Der Schimmel kennt den Weg. Er wird euch außer Landes bringen zu eurem Vater“. Und schon war es verschwunden. Die Geschwister bestiegen den Schimmel, und der trug sie davon, weit weg von ihrem Peiniger und den Schmerzen der vergangenen Jahre. Sie hörten nicht die Eulenrufe als sie im Mondlicht durch den Wald galoppierten.
 


27.2.2000 überarbeitet Februar 2009
© sigrid kriener



 

Vorgaben für diese Geschichte:
Salzwasser - Herbststurm - Entsetzen - 
Hibiskus - Tempelpforte - Dunkelkammer - 
Holzweg - Gewisper - Himmelsriss - 
Schneegestöber - Gicht - Eulenrufe -
Sanftmut - Endlosschleife - Kerzenschein -
schlängeln - Hut - Kälte - Mondlicht -
Gesichtsstarre

 

bild 3

7 / Die Nacht
32 / genesen
Inhalt