madonnas archiv

 Dezember 2002  / Januar 2003



Mein zweiter Prosatext in 2002 . Ich habe offenbar die Hemmungen überwunden.    Nun, Märchen waren für mich von jeher keine Hürde.

Also , kommt und lest von den merkwürdigen Begebenheiten, die den Bremer Stadtmusikannten wiederfuhren, nachdem sie  eine Weile recht angesehene Spielleute waren.

Mein Freund Ele hat übrigens einen anderen Verlauf  dieser Geschichte vorhergesehen. Er steht am Schluss der Seite.





 



 

Wie die Bremer Stadtmusikanten Weinachten feierten

Es war einmal.
Der Esel, der Hund, die Katze und der Hahn waren wieder obdachlos.
In dem schönen Räuberhaus, wo sie eine Weile in Saus und Braus gelebt hatten, durften sie nicht länger bleiben. Es sollte zu einer Jugendherberge umgebaut werden und Tiere waren dort nicht erlaubt. Auch ihre Arbeit als Stadtmusikanten hatten sie verloren, denn die Kassen der Stadt waren leer. Der Kämmerer sagte es dem Bürgermeister, der Bürgermeister sagte es dem Kulturbeauftragten und dieser sagte es den Stadtmusikanten als sie, wie an jedem Freitag, ihren Lohn abholen wollten. Fortan erklang keine Musik mehr in den Straßen und auf den Plätzen, und die Gesichter der Menschen wurden finsterer von Tag zu Tag. Jeder sorgte sich wegen der schlechten Geschäfte, der schlechten Lage, der schlechten Aussichten, auch wegen des schlechten Wetters und überhaupt. Und jeder hielt seinen Geldbeutel fest verschlossen. Wenn die ehemaligen Stadtmusikanten von einer Hochzeit hörten und dort vor dem Fenster sangen, kam der Brautvater heraus, schüttelte bedauernd den Kopf und kehrte seine leeren Taschen von innen nach außen.
„Lasst uns überland gehen“, sprach der Esel, als sie eines Morgens mit knurrendem Magen auf dem Marktplatz beisammen saßen, „hier ist für uns nichts mehr zu holen“.
Da verließen sie Bremen und gingen aufs Land hinaus. Es war Herbst. Auf den Stoppelfeldern fanden sie noch reichlich Ähren und Mais und auf den Äckern gab es Rüben. Die Katze fing hin und wieder eine leichtsinnige Maus oder schnorrte beim Bauern ein Tellerchen Milch. Manchmal stahl sie, wenn die Bauersfrau das Fenster aufgelassen hatte, am Sonntag einen Braten aus der Speisekammer. Der Hund stand Schmiere, und wenn es brenzelig wurde, bellte er so laut er konnte, um die Katze zu warnen. Der Hahn mischte sich unter fremdes Hühnervolk und brachte am Abend in seinem Kropf immer etwas heim. Der Esel war von Natur aus genügsam, und nahm auch mit Disteln vorlieb. So kamen sie gut durch den Oktober.
Im November, als es kälter wurde, rückten sie in der Nacht eng zusammen, um einander zu wärmen. Der Hund legte sich dicht neben den Esel, die Katze schmiegte sich an den Hund und der Hahn setzte sich abwechselnd mal auf den einen, mal auf den anderen. Seine Federn wärmten wie ein Daunenbett. Doch Sturm kam und Regen, und als die Tage kürzer wurden, kam Schnee und Frost. Sie fanden immer weniger Nahrung auf den Feldern. Die Fester der Speisekammern auf den Bauernhöfen blieben wegen der strengen Witterung geschlossen, und wenn die Katze zum Betteln kam, empfing sie der Besen. Die Vorräte der ehemaligen Stadtmusikanten, gingen zur Neige und so setzten sie sich wieder zusammen und beratschlagten, wie es mit ihnen weitergehen sollte.
„Vielleicht sollten uns trennen“, schlug die Katze vor, denn sie träumte insgeheim von einer warmen Ofenbank. „Wenn wir allein sind, findet vielleicht jeder von uns ein Heim.“ “Paperlapp“ kollerte der Hahn, „wo ich da lande, weiß ich jetzt schon. Im Suppentopf“. Auch der Hund machte ein bedenkliches Gesicht. Der Esel schwieg und überlegte lange. Dann sagte er: „Wir hatten gute Zeiten miteinander und nun haben wir eine schlechte Zeit. So wollen wir uns denn trennen und jeder wieder für sich selber sorgen. Nur Weihnachten lasst uns noch gemeinsam feiern.“ Der Hund und der Hahn waren erleichtert über den Aufschub, und auch die Katze war einverstanden aus alter Freundschaft.
Dann kam der Heilige Abend und die Glocken läuteten. Da machten sie sich auf den Weg zur Kirche. Ein paar Pfeffernüsse erhofften sie und ein warmes Plätzchen für eine Stunde oder etwas länger..
Die große Tür war schon geschlossen, als sie ankamen. Durch die bunten Glasfenster strahlte gedämpftes Licht nach draußen und drinnen fing die Gemeinde gerade an zu singen:

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit...“

Da fasste der Esel sich ein Herz und drückte mit seinem Vorderhuf die schwere Klinke hinunter. Goldenes Licht goss sich über die vier Kameraden und sie traten in die von unzähligen Kerzen erleuchtete Kirche. Und warm war es darin, wunderbar warm. Die Menschen in ihren Festtagskleidern hatten gerötete Gesichter und glänzende Augen. Ob ihnen nur warm war oder die Feierlichkeit sie so ergriffen hatte, war nicht auszumachen. Der Esel, der Hund, die Katze und der Hahn gingen den breiten Mittelgang hinunter geradewegs auf den Altar zu. Davor standen Maria und Joseph neben der Krippe mit dem Jesuskind, auf der anderen Seite ein Öchslein und ein Eselein, dazu viel gutes Stroh. ’Wo, wenn nicht hier, sollte unser Platz sein'‚ dachte der Esel und lagerte sich neben das Eselein. Der Hund die Katze und der Hahn taten es ihm gleich. Dann kamen die Engel und verkündeten die Frohe Botschaft:

"Vom Himmel hoch da komm ich her..." ,
und die Gemeinde sang:
„Es ist ein Ros entsprungen... “ und
„ ....Christ der Retter ist da“

und die drei Könige und brachten dem Kind ihre Gaben dar. Auch Kuchen packten sie aus und Wein und andere Köstlichkeiten, die es nur im Morgenland gibt. Es wurde angebetet und gefeiert, gegessen und getrunken und die ehemaligen Stadtmusikanten waren dabei und erhielten von allem ihren Teil.

Wie es weiterging und was nach Weihnachten aus ihnen aus ihnen geworden ist, wollt Ihr wissen?
Da gibt es zwei Geschichten, eine ist so gut möglich wie die andere. - Eine sagt, dass sie sich trennten. Katze, Hund und Hahn zogen mit den drei Königen. Der Hund ging mit Kaspar, die Katze mit Melchior, und der Hahn mit Balthasar. Der Esel aber ging mit Maria, Joseph und dem Kind. Und jedes Jahr am heiligen Abend treffen sie sich wieder in der kleinen Dorfkirche nicht weit von Worpswede und bleiben bis zum 7. Januar.
Die andere Geschichte berichtet: Sie kamen auf dem Silberstrahl des Mondes direkt in den Himmel. Und als man dort hörte, dass sie Stadtmusikanten in Bremen waren, wurde ihnen sogleich eine Stelle im himmlischen Orchester angeboten. Dort schlägt nun der Esel die Pauke, der Hund bedient mit seinem Schwanze das Schlagzeug, die Katze singt Sopran und der Hahn weckt die Engel, wenn sie eingeschlafen sind.

Welche Geschichte wahr ist, wollt ihr wissen?
Sucht es euch aus, denn es ist ja ein Märchen, und Märchen müssen nicht wahr sein. Hauptsache ist, sie gehen gut aus.

15.12.2002 madonna

© sigrid kriener

         
               

.

Eles Schluss

... Die moderne Fassung hätte aber vermutlich anders geendet. Die Katze und das Langohr wären zu einer Casting-Show gegangen und hätten nach den Boy- und Girl-Groups die erste Animal-Group gegründet, weil die eh jeden Esel nehmen und man auch als Mieze nicht lange nach Talent gefragt wird. Der Hahn hätte eine Stelle beim deutschen Tennisbund erhalten, weil nach dem sonst kein Hahn mehr kräht ohne internationale Erfolge. Und der Hund? Nun, der hätte einfach mal sein erstes Tagebuch geschrieben wäre anschließend Dauergast in sämtlichen Talkshows geworden.

Franz Jocham (Ele)  am 26.12.2002

      
                    


3 Exhibition
Inhalt   Text
Autoren  Kollegen Freunde
Startseite