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   JanLeo

   Jan Leonardo Wöllert     

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Aldi zu Lidl ist nur ein Katjessprung
(Für Patrizia zur baldigen Genesung)


„Von Aldi zu Lidl ist nur ein Katjessprung“ trällere ich gerade fröhlich umher, als mir, ein vielleicht Fünfjähriger mit kindlicher Genialität den Einkaufswagen, ins Knie rammt. „Scheißßßße“ möchte ich schreien. „Verdammte Scheiße noch mal“! Aber doch nicht vor dem Kind fällt mir ein und so verbiege ich meine Zunge derart und drehe tatsächlich noch ein „Schhhhhei …ade“ draus.
Doch meine Bemühungen die Welt zu verbessern, sie intellektuell aufzufangen, in andere und bessere Bahnen zu lenken, scheitern kläglich.
Sie, eigentlich zwei, Mitte dreißig, allein erziehende Sozialhilfeempfängerin brüllt: „Lothar du kriegst einen Arschvoll bekommen, wenn du da Blödsinn machen tust“. Allein die Tatsache dass dieses arme Kind Lothar heißt, ist die Höchststrafe und rechtfertig im Grunde genommen jegliches Daneben Heraus- Unbenehmen. Im Schatten eines bayrischen „Fußballunbilds“ zu stehen, ist mies, feige und schlecht für den Charakter und bedeutet unweigerlich, dass früher oder später die ganze Nation in Apathie versinkt.
Lothar unterdessen interessiert sich nicht für Fußball, sondern nur noch für seinen neuen Rammbock. Seinem ungewollten Fußballidol nicht ungleich, prescht er mit vollem Glück aufs Tor zu um seinem Rammbock in den sauren Gurken zu versenken. Die Mama, die ganz sicher Gabi, Bärbel oder Petra heißt, setzt sich wallend, keifend auf Abfangkurs in Gang. Wie ein Flugzeugträger unter Volldampf schieb sie sich durch die Menge der Angebotsfetischisten und erwischt den Wagen Zentimeterweise vor dem Eingemachten. Lothar weiß, was passiert, wenn Mama durch die Gegend walmen muss und läuft darum lieber weg. Unsere Gabi, die mittlerweile völlig schweißgebadet ist und ihren Atem unkontrollierter Weise irgendwie, irgendwo verloren hat, sieht so aus, als wenn sie jetzt ihre Cruise Missiles zm Einsatz bringen möchte. Die Gefechtstürme links und rechts vom voluminösen Rumpf schwenken wild umher. Die Angriffsirene, die zur Mobilmachung aufruft, heult unentwegt.
Jeder weiß, was früher oder später passieren wird, nur Lothar weiß das irgendwie noch nicht. Gabi ist völlig außer sich und wird gleich platzen. Sie holt Luft und brüllt und brüllt, dass dem Quark im Kühlregal schlecht wird und dieser nun als Sauerrahm verkauft werden muss. Mit der Gewalt einer Bullenpeitsche entkommen ihr nun die Worte, die sich selber die Ohren zuhalten und nur eines sagen: „Du wirst drei Tage nicht laufen können, wenn ich Dich erwische. Hat sie aber nicht, denn der Bengel ist viel schneller als sie.
Während sie schmerzverzogen hinter Lothar herläuft, muss ich unweigerlich und nicht ohne schlechtes Gewissen, an die Paralympics denken.
Es endet wie es enden muss,
weil auch das Kind zur Tür raus muss.
Ich drehe mich weg, weil ich Gewalt und Erziehungsmiseren an Kindern nun mal nicht sehen kann. Armes Deutschland denke ich und an Profamilia …