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Gert Mahnken 1936 - 2001





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      © Das Copyright für die Gedichte und
        Grafikabbildungen liegt bei Thilo Mahnken


     

 

 

 

 

 


 
            

 

Horchgedichte aus dem Jahr 1963            


 

 

Heimat

Händeringend Zeigefing
Plumpsmanchette Sittenwink
Griffelgrab in hohler Hand
Backe backe Kindersand

Stapfen Schritte durch den Gau
Knöchelwatt im Wattenblau
Schusterfuß im dritten Gang
Hicke Hacke Heimatsang

Rachenlust würzt Suppendill
Lippenblut im Löwenmüll
Trauben reingewaschne sind
Wie die Eltern so das Kind


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Liederlid

Klickendes Genickebein
Kinde lasse tapsen fein,
Sture , Klobe Hacken,
Die Köpfe ticketacken.

Träufle wachse Silbertrut,
Trichter, Schlicker, Gluckerhut;
Maße sind zum Richten,
Streite sind zum Schlichten.

Auge kümmre waldwärts dich,
Rucke, falte, Blicke brich,
Raunemoose wehen,
Irren, weichen, drehen.

Dunkler Lichtung Saumgemüt,
Schlummer senkt das Liederlid;
Wälder sind zum Flauschen,
Wälder sind zum Lauschen.


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Nacht

In den Bäumen wogt die Nacht
wird ans Land gezogen
raschelt in die Trocken-Gracht
blättert auf die Wogen

Zupfe deine Seitentracht
Wanderer in Eile
sohle nicht ins Sockensacht
und bleib auf der Zeile

Zwielicht ist der Zwerg im Tann
nippt an Tümpel-Säumen
Rastlos kommt die Nacht heran
Wellenberge bäumen


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Anweisung

Lippenrot in Frühlingsseide,
Huhn kommt an auf satter Weide,
Kuh steht prall auf Wiesenbunt,

"Alles in den Hintergrund!"



Notiz

Fünf Kühe liegen auf der Weide,
Sattes Braun in feuchtem Grün,

Ein kleiner Zwerg rollt sich in Seide,
Am blauen Himmel Wolken zieh' n.



Poesie

Die Weide macht das Rindvieh satt,
Im Trommelwirbel laust das Blatt,
Im Wiesengrunde grunzt die Au,
Sattrosa blüht die Futtersau.


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Miniatur

Mittagsgilbe lausche Schatten-Nacht
dunkle Kuh in schwarzer Weide lacht.
Strahlen reigen schräg gezückt im Raum
schwatzen Mücken unter 'm Blattgoldbaum.



Sommerabend

Mailand im Garten
lachsrot die Au
Hinterzarten
versinkt im Kakao
Locken bleiben im Windmeer steh' n
Terrassendirnen zum Tanze geh' n


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Reih'
um

Wattebausch und Seidenpuppe,
Wind rollt wie der Wind so weich
Windig gruppt sich aus der Truppe
Einzelreh im Rehenreich.

Reih' um soll der Käfer dreh' n,
Jedem im Gesichte zupfen,

Promenadenwichte steh' n,
Welke Stellen Riesen rupfen

Riesen rupfen welke Stellen,
Greise Pudel, Schäfer bellen,
Wattebausch und Seidenpuppe,

Wind rollt wie der Wind so weich.



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Am Meer

Graue Wolke sinkt aufs Land
Sandkorn fliegt am Meeresstrand
Primel tobt
 am Mauermeer
rollt der Schaum
das Land liegt quer



Szene

Seidig hängt das Firmament
Bunter Greif im Vorhang klemmt
Faltenwurf durchbricht die Tracht
Flattert in die Masse Nacht,




Zweizeiler

Im Zinkblech kocht die Wäschelauge,
Und glasig schwitzt das Zwergenauge.


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Regen

Stumpf kaut der Regen Ziegenlack,
Betagte Gipfel, weites Reisen,

Bleiche Gilben, moose Gläser,
Schlappe Krallen, grüne Rinden
Wege bauschen auf, verschwinden,
Dunkle Rosen Winde bläh'n.

Meterwaren starren Schinken,
Waterloo und Oistrach stinken,
Fegen mir das Wegkreuz leer,

Klammig und schwer
Blätterdachkarten nicken im Straßenteer.


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Sommer

Lindenweitflug Böschungsbogen
Äckerbreitland Weizenwogen
Lerche trellert in der Luft
Pius schwitzt in seiner Kluft
Eichelhäher hört man fluchen
in den Büschen in den Buchen
Häschen hüpft davon geschwind
angezogen kommt das Kind
Eine Strophe auf den Lippen
in den Zweigen Meisen wippen
lustig wirbelt weit und breit
kunterbuntes Kinderkleid

und als Telegraph im Duft
monoton der Kuckuck ruft


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Cocktail

Die Pappel aalt in der Allee.
In einer Tasse schwimmt der See.
Graublaue Nacht umfängt den Hund.
Ihr Blattgold schaukelt Mutter Bunt.

Aalt in der Allee der See den Hund,
schaukelt Mutter Bunt.

Die Pappel in einer Tasse schwimmt,
graublaue Nacht umfängt ihr Blattgold.


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Schaumkraut

Welt der Wellen Silberfisch
Wasserpferde lallen
Trutzig nickt am Sandbanktisch
Meerkleidsäume fallen

Atmen Meeresmelodie
Schaukeln Sedimente
Weißen Wales ist das Knie
Und die wilde Ente

Weißbär tappt am Wasserrand
Sattgewogne Sande
Dunkel steigt die Nordmeerwand
Über  Schaumkrautlande


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Huh!

Der graue Puntemann geht durch den Wald
und hat schon manchen abgeknallt.

Die Hexe lauert eiderdaus
und schaut aus einer Hecke raus.

Die Kinder fürchten sich geschwind
und um die Ecke weht der Wind.


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Schattensaum

Taub im blumenfeuchten Gartenland
blätterkalte Buchsbaumreihen starren
Sonnenzwerge Mittagszeit verscharren
Werfen Schattensplitter an die Backsteinwand

Schwere Äcker warten auf die Nacht
grise Grabenwinde trudeln träge
landgewunden finden sich die Wege
fahles Licht keimt auf im Nebelschacht

Grünes Rind im moosbetupften Traum
glockenschwarze Märchenwälder hüten
Schlummertuch / Gespinst verblichner Mythen
blindes Auge irrt am Schattensaum

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Glockendeich

Ein Karussel vermoost am Wald ein Teich,
Vermehrt Gedunkel blattert rattert Kinderreich,

Der Hupa-Hupa schnellt von Blatt und Baum,
Dem Hui ans Blatt geschnallt vertraun im Traum.

Die Erde wobt das Zitterschürzchen Beete,
Die einst der Landmann sittenwidrig sähte,

Frisch auf, ihr Knappen, hebt noch eine Runde!

In bunter Tüte friert die Winde-Wunde.

So nagelt man ans Abend-Brett-an-Brett den Tag,
Vernagelt wird geschuffelt Machtertrag,

Vermehrt Gedunkel moost am Wald der Teich,
Und eine Kuh bellt sitt / Samt durch den Glockendeich.


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Die Kuten

Abfall, Papiere, Bleche, Ruten
Windball rollt blasig in die Kuten,
Schlitten der Kinder kommen hinzu,
Und an der Grenze muht die Kuh.

Dackelt Frau Meyer mit ihrer toten
Tochter gewickelt in Straßenschoten,
In den "Vier Ruten" ist der Wind,
Richtungsweisend stapft zag das Kind.

Zwischen den Kiefern ragt die Kiefer,
Die Schieferdächer werden schiefer,
Vom Drosselsteig winkt hin zum "Bruch"
Das fingerkalte Klettertuch.


Anm.: "Kute" =  Erdloch, Schüttgrube.


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Vergossen

Der Kutscher der Kutsche,

Samtschimmel verdrossen,

verlöffelt die Weisheit
in Straßengossen,

vergießet den Brei
der Würzburger Pracht
in einer
Schrank-ist-weg-Frühlingsnacht.



Brrrr

Im Gossenstein die Alltagsware,
wie schaurig schwirrt der Stunden Flug,

Die Schwalbe kauert auf der Bahre,
Und → dunkel ist's im Bettbezug.


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Dies ist nun eine allerletzte Seite des Zurück- und Voraushorchens. Soll sie leer bleiben? Es sei folgende Frage in die Prägnanz gebracht:
Seit Goethe hat sich die "Menschheit" versechsfacht,




Seit meiner Geburt hat sie sich verdreifacht,




und "gegenwärtig" verdoppelt sie sich in einem Zeitraum von zirka 48 Jahren



Hat hier nun etwas abgenommen oder zugenommen?
 



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