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Begegnungen der besonderen Art



Begegnung

Offener Brief an madonna

 

 
 

 

Offener Brief an madonna


liebe madonna,

es regnet nicht
obwohl ich dankbar für regen wäre
jetzt
denn das prasselnde geräusch
der vielen und unlenkbaren wasser
wäre meinem ohr beruhigung
*
jenes ohr
das nichts hört
ausser lärmenden fragen
die nichts von sprache wissen wollen
*
regengeräusch, so menschlich wie vogelzwitschern
menschlich wie rachmaninov
*
eine knappe aussage von dir, hat sich meiner heute abend bemächtigt.

"begabt aber nichts zu sagen"
so lautete dein ausspruch, der mir heute abend sowohl lektüre als auch schlaf raubt.
denn heute verstehe ich nichts mehr.
man kann solange ein wort sprechen, bis es jeglichen sinn verliert und sogar seinen klang einbüßt.
*
was heisst begabt? was heisst sagen?
ich fühle mich in einem labyrinth von borges verloren.
in jener unendlichen bibliothek,
die ich im traume niederbrannte.
*
sind wir so gefangen, in europäischer geschichte, dass wir nicht einmal mehr orginell leiden können?
und wir suchen, nach all diesen vagen substanzen...
erkenntis, poesie, wahrheit oder wirklichkeit,
wir sitzen da
und fragen tatsächlich noch
nach dem unterschied zwischen gefühl und gedanke?
nach körper und geist?
angeboren ist dies nicht. doch was sagt das über den sinn aus?
ach. sinn. schon wieder so eine menschliche unvollkommenheit. ein wort wie alle anderen.
*
ich sehe schon das lächeln
um den mund des lesers spielen:
gleichsam, könnte ich den fluss fragen,
warum er fliesst,
er antwortet nicht.
ich kenne seine sprachlosigkeit.
ich kenne meine pathetischen fragen.
*
ich sage es ganz offen:
ich kenne die bedeutung der worte nicht.
suche ich sie?
suche... immer diese trägen ausreden! ich verwerfe sie, genauso wie die eitelkeit- und dennoch....
*
warum wollen wir schreiben?
etwas formen?
etwas malen?
das kann fast nicht sein! so unglaubwürdig erscheint es: was könnte entfernter sein, von meinem wunsch, ein mensch zu werden?
ein richtiger mensch.
*
ach. mensch: erkenne dich selbst!
warscheinlich haben uns die griechen all diese fragerei eingebrockt.
*
doch du?
liebe madonna,
freilich kenne ich dich nicht. (mal ganz abgesehen davon, dass ich mich selbst nicht kenne.)
*
warum duften die levkojen soviel schöner bei der nacht?
*
woher hast du deine ruhe?
sie scheint mir rätselhaftes zu bergen.
du scheinst ein versteck in dir gefunden zu haben, das ich in mir nicht finde.
*
sag mir nicht: durch die zeit. mit der zeit lernt man.
*
warum ist in meinem herzen so die sehnsucht auferwacht?
*
all diese geschwollene, verweinte zeit.
*
einmal fragte mich ein freund, ob ich unsterblich sein wolle.
ohne zu zögern sagte ich: "ja"
das klingt für manche törricht. oder sogar verrückt. aber für mich klingt es verrückt, den tod anzunehmen. den tod! nach all dem, was wir erlebt haben!
ich mag autoritäten nicht leiden.
und die einzige autorität, die es wirklich gibt, ist der tod.
*
haben die buddhisten recht?
sollten wir keine erwartungen haben?
doch wie
kann man sich in orientalische denkweisen flüchten,
wenn man
nichts versteht?
ich meine nicht, das nirvana,
sonder schlicht und einfach: gar nichts!
*
zu alleine,
ohne einsam zu sein?
*
(von mir aus auch anders herum, es bleibt sich gleich,
solange ich auf solchen gemeinplätzen herumspaziere.)
*
aber:
was ist nun zu sagen?
was zu finden?
manchmal ist mir, als ob ich doch den sinn der worte doch verstehe. endlich!
aber:
ein wichtiges wort
das ich vergessen habe, in diesem worte-katalog von sinnlos liebenden:
*
zweifel.
ja. denn die bedeutung der worte entschwindet,
gleichsam wie das schloss von kafka.
denn das gefängnis,
in dem wir uns befinden,
ist nur ein scheinbares.
*
*
aber was haben wir ausser schein?




© ariadna

 

 

 

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