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Begegnungen der besonderen Art


Begegnung mit Melvin

2003 
 

Hiho Madonna, 

hier haste mal die Texte. Wunder dich nicht über die Rahmen…schön sind die nicht, aber ich hab sie aus Nostalgiegründen (das erste abgetippte Gedicht hatte, mehr aus Versehen, diesen Rahmen) gelassen J 

Ich bin da immer gespannt, was andere für eine Auswahl treffen, und so bin ichs
Auch diesmal…

 Viel Spaß damit!

Melvin 

Gesendet: So 05.03.2006 13:46


___________________________________

 

Seltsam, da ich nun die freie Auswahl habe, möchte ich ganz anders wählen als vor Jahren. - Woran mag es liegen? Ich weiß nur, dass ich am Beginn unserer Bekanntschaft im Forum der Gruppe 4w, bei Melvins Gedichten oft ein ambivalentes Gefühl hatte.
Ich bewunderte die Formsicherheit. Da war selten was zu bemäkeln. Andererseits hielten mich "Großen Worte" und das unkaschierte Pathos, in dem ich nur selten Distanz oder Ironie entdecken konnte, auf Abstand.
Ich nahm es Melvin irgendwie nicht ab. - So schreibt man, so fühlt man doch nicht mehr. Dachte ich. Warum eigentlich nicht - wenn es einem Freude macht?  Ein wenig "retro", wie man heute sagt. Ob es Melvin manchmal ähnlich ging?  Ich weiß es nicht.
Manchmal kommt mir der Verdacht, wenn
ich z.B. sein Gedicht "Besinnung" ansehe. Doch klingt es nicht nach einem nachsichtigen Lächeln. Oder doch -  wenn man es mit "Manchmal Denke ich" gegenüberstellt?
Ich will ich diese Gedichte nicht  unter-schlagen, da sie Meilensteine in unserer Bekanntschaft sind.

Mir war immer klar, dass da jemand schreibt der ungeheure Freude an poetische Sprache und ihren Arabesken hat. Ab und zu frönt er sogar einem übermütiger Spieltrieb, den ich genauso schätze. Eines meiner liebsten Gedichte dieser Art ist " Rauber". Zu diesem Gedicht habe ich mit großem Vergnügen eine Art Interpretation oder "Übersetzung" geschrieben.

Daneben gibt es einige Gedichte, die entfernt an amygdalas Gedichte erinnern, wobei Melvin der Sprachspieler bleibt  Das fiel mir erst jetzt auf, als ich die Gedichte von beiden zeitgleich hier her gestellt habe.
 

Persönlich habe ich Melvin 2003 in Worpswede kennen gelernt. Fand einen  schüchternen jungen Mann, dem ich gar nicht so unverfrorene Fragen stellen mochte, wie im Forum. Wir waren uns mehr Fremde, als ich wir gedacht hatten, schein es mir.
Die sehr intensiven Eindrücke dieses Treffens habe ich anschließend in einer Reihe von Photomontagen festgehalten - Melvin hatte darin eine zentrale Rolle


Von den Gedichten, die hier stehen,
kommt für mich spät 6  dem Melvin, den
ich in Worpswede kennegelernt habe, am nächsten.

 

 



















 Kommentarverlauf zu 'Rauber'





 



 


 

halb

 du bist genau
halb so tief
wie ich
doch weiter bist du
freier ganz gewiss
du lachst und ich
bin schatten nur
und halb





spät 2


auf der lichtung stand ein kind.
es sah alles wie durch eine
Linse.
am tage war es licht und grün,
des nachts jedoch
erklommen schemen
die wipfel der gewächse
um
schwarze
asche
zu
verstreuen.





himmelsrad

ein heiß,
ein rauhes kühl,
ein himmel, der erklart,
ein wort, das mir bekannt,
da muss ein wort noch sein,
das niemals ich benannt,
für heute aufgespart,
ein blaugefühl,
ein weiß.


 

 

   
  Besinnung
 
Ich kenne ach so viele deiner Sorte,
Die denken, sich und jeden zu verstehen
Und glauben, alles Leben will sich drehen
Um „Wahrheit“ und um andre Große Worte.
 
Sie führen „Sehnsucht“ stolz in ihrem Munde,
Beflissen, so als müssten sie bezeugen,
Dass sie des Fühlens mächtig sind und beugen
Sich Worten doch und richten sie zugrunde.
 
Was bin ich müde aller Weggefährten,
Die bloß ihr Herz zu „Leidenschaften“ raffen,
Als könnten sie das Schöne nur erschaffen
Mit Worten, die sich tausendfach bewährten
.







Manchmal denke ich

Ich kann dich von hier unten kaum erkennen,
Und dennoch wirkst du wundervoll und zart,
Die Last und meine Trauer zu benennen, -
Es fällt mir schwer in deiner Gegenwart.

Ich kenne deinen Schmerz, denn deine Sorgen,
Sie haben dich zum Passagier gemacht,
Du blickst durch deine Fenster auf den Morgen
Und wünschtest doch die Fahrt durch dunkle Nacht.

Oh nimm mich an der Hand und aus der Leere,
Ich kann dir nicht mehr helfen – hilf doch mir!
Die Kraft, von der ich schon so lange zehre, -
Ich schöpfe sie noch jeden Tag aus dir.







skizze bei nacht
 
die liebe, die du forderst, gibt es nicht,
du kannst nur fühlen, dass du nicht allein,
du kreist wie eine motte um das licht
und stößt dich oft an seinem widerschein.
 
das böse, das du fürchtest, ist erdacht,
dir reicht es kaum, dass man vom schlechten spricht,
du dichtest dir das gute in die nacht
und leugnest diese sucht nach gleichgewicht.
 
denn alles was benannt muss zwingend sein,
dies hat man dir als kind schon beigebracht,
doch auch das größte ist vier lettern klein
und ist dir gott, der über allem wacht.




 

Rauber

Fort im Doben raubt der Geler,
Einer, der die Raben lehrt,
Intribut im Wesen kehrt;
Blind im Neigen vor dem Stehler,
 
Und bedagt in reinem Zell,
Lässt er recht von zielen Deifen,
Sieht den Fimm durch glaste Reifen,
Laumt ihn ein mit grindem Well,
 
Dort instimmt im lauten Weit.
Wollte saumen auf Gelust,
Da der Game sandig grust:
„Heiler Weile fehlt die Zeit.“
 
So beraubt der alte Zinner
Auf den Gamen, der ergastet:
„Sag wohin das Weile hastet.“
Im zeluten Wandgestinner,
 
Und bedagt nun mehr von Zahm,
Findet kein Begall den Stunder;
Einer drimmt den Sohl am Funder,
Und der Dronte wog am Stahm.

 Kommentarverlauf zu 'Rauber'




Wahre Liebe

Ich gäbe dich nicht her für tausend Leben
Und schenkte dir mein letztes, ohne Frage,
Doch dies Versprechen kann ich dir nicht geben:
Dir nah zu sein am Ende aller Tage.

Das Glück ist kurz, ich kann mich nicht belügen,
Und nur ein Narr verlangt nach Ewigkeiten
Und mag sich mit der Gegenwart begnügen
Und denkt, er blickt voraus in alle Zeiten.

Ich gäbe dich nicht her für Ruhm und Ehre
Und würde selbst geschlagen zu dir stehen,
Doch für die Eine, die ich noch entbehre
Und ich nicht kenne, ließe ich dich gehen.






spät 6

ich saß am tisch, der stillste von uns allen,
ich aß nicht viel und war als erster satt
und war bei mir und war nur ich, anstatt
ein anderer zu sein, um zu gefallen.

bald sprach ich kaum und schälte mich nach innen
und trank ein wenig wasser, keinen wein,
und wenn ich sprach, kaschierte ich mich klein
und ließ die volle stunde noch verrinnen,

um schließlich durch die milde nacht zu gehen,
nach hause, man erwartete mich nicht,
ich atmete im blassen straßenlicht.
und blieb auf halbem wege vor mir stehen.




 

© Torsten Dittrich



 


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