Diese Geschichte entstand in einem Schreibprojekt
der Autorengruppe des Cycosmos, genau wie 'Lorenzo und
Nano'. 'Lorenzo und Nano' und Hoffnung' sind nach den gleichen
Vorgaben entstanden. Siehe unten. .
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Hoffnung
Kaum einer nahm Notiz von der jungen Frau, die an einem der kleinen
runden Tische des Cafés nahe am Fenster saß. Sie mochte Ende zwanzig sein,
schlank, fast mager, die Haare mattblond etwas zersaust. Sie rauchte.
Vor ihr auf dem Tisch lag ein Stapel Zeitungen. Es waren die
Wochenendausgaben einiger großer Tageszeitungen. Beiseitegeschoben, ein
halbabgegessener Teller, auf dem noch einige Scheiben Mozzarella mit
Tomate und Basilikum lagen. Daneben ein halbvolles Glas Rosé. Sie
studierte den Stellenteil des Abendblattes. - Vor kurzem erst hatte sie
ihr Studium beendet, Mathematik, mit Abschluß Diplom. Sie hatte recht
ordentlich bestanden... jetzt kam der schwierigere Teil. Schon mehrfach
hatte sie sich auf Anzeigen hin beworben und sogar schon das ein oder
andere Vorstellungsgespräch gehabt, jedoch zeichnete sich noch nirgendwo
eine Zusage ab. Mit Schauder dachte sie an den letzten Einstellungstest
zurück, bei dem sie unter anderem, nach einer kurzen Vorbereitungszeit,
eine Stellungnahme zu dem Buch "Gödel, Escher, Bach" hatte abgeben sollen.
- Beschämt hatte sie sich eingestanden, dass sie auf solche Tests nicht
gefaßt gewesen war, und hatte daraufhin an einigen Bewerbungsseminaren
teilgenommen, um nicht wieder in eine solche Lage zu geraten. Aber der
Mißerfolg der ersten Bewerbungsrunde lastete auf ihr, und sie fühlte sich
zerschlagen, irgendwie leer und orientierungslos, so wie vor einigen
Jahren, nach ihrer Scheidung. Etwas Asche fiel von ihrer Zigarette auf
die auf dem Tisch liegenden Zeitungen. Als sie mit der Hand darüber
strich, um sie zu entfernen, blieb ihr Blick auf der "Schreckensseite"
hängen. Schon wieder ein Familiendrama mit tödlichem Ausgang, ein
versoffener stellungsloser Schornsteinfeger hatte nach einem Streit seine
Ehefrau, die Mutter seiner drei Kinder, erschossen und sich anschließend
im Dachstuhl erhängt. - Die junge Frau las das ohne Teilnahme, ihre Augen
glitten darüber hinweg, kaum, dass die Tatsachen in ihr Bewußtsein
drangen. Sie seufzte und schaute aus dem Fenster... grau war es draußen...
ein diesiger Novembernachmittag. "Triste...", dachte sie..."einfach
triste". Langsam legte sie ihre Zeitungen zusammen und verstaute sie ihren
Rucksack. Sie winkte dem Kellner, einem vertrocknet aussehenden Zwerg, um
zu zahlen. - "Triste!" dachte sie wieder und trat aus dem Cafe in den
nebeligen Nachmittag. Sie zog ihre Jacke enger um die Brust und
verschränkte die Arme, um die feuchte Kaelte abzuwehren. Sie freute sich,
als sie an die behagliche Wärme ihrer Wohnung dachte und beeilte sich,
nach Hause zu kommen. Als sie die Tür zu ihrer kleinen Wohnung im
11.Stockwerk eines Hochhauses öffnete, erwartete sie bereits der Kater mit
einem mißmutigen Mauzen. Der arme Kerl hatte seit dem frühen Morgen auf
Futter gewartet, und nun hatte sie doch vergessen, welches zu kaufen. Sie
hatte keine Lust wieder zurück in den Nebel zu gehen. Also servierte sie
ihm Miesmuschlen aus einer Konservendose, die sie im Vorratsschrank
gefunden hatte. -" Triste", dachte der Kater, "einfach triste". - Die
junge Frau ignorierte sein unzufriedenes Gesicht und wandte sich dem
Papageien in der Voliere zu. Sie kraulte ihn unter den Brustfedern, und er
rieb den gebogenen Schnabel an ihrem Handrücken. Langsam entspannte sie
sich... Sie goß sich eine Kanne Hibiskustee auf und rollte sich auf
dem Sofa unter einer Wolldecke zusammen. Aus dem Radio ertönte die Arie
des Papageno... Sie kuschelte sich zufrieden in die Kissen und nippte an
ihrem Tee. Sie dachte an ihren letzten Urlaub in Spanien, wo sie mit einer
Gruppe eine Gebirgswanderung gemacht hatte. Das war vor ihrer Prüfung
gewesen, - sie hatte nochmal Streß abbauen wollen. In Gedanken ließ sie
die Bilder noch einmal vorüberziehen. - Da, mit einem Satz landete
plötzlich der Kater auf ihrem Bauch. Sie hatte gerade die Teetasse in der
Hand, und der heiße Tee schwappte über und ergoß sich auf das Sofa und die
weiße Wolldecke. "Mistvieh" - entfuhr es ihr, und sie sprang auf, um den
Schaden soweit möglich wieder gut zu machen. Der Kater war inzwischen
unter dem Sofa verschwunden und starrte sie mit einem vergrätzten
Gesichtsausdruck an. - "Okay, okay, du hast gewonnen", sagte sie, "ich geh
einkaufen". Der Kater war unversöhnlich... Die junge Frau griff nach ihrer
Handtasche und suchte nach ihren Schlüsseln. Bei der Gelegenheit kramte
sie einen Lottoschein hervor. Sie nahm sich vor, auf dem Rückweg bei der
Annahmestelle vorbeizuschauen. Als sie aus dem Haus trat, begegnete ihr
ein Schornsteinfeger. "Schornsteinfeger bring mir Glück!", sagte sie
und kreuzte ihre Finger.- " Wenn der wirklich Glück bringt - das wäre doch
affengeil!", dachte sie. Sie lächelte und schüttelte den
Kopf. Hoffnung wäre ein zu großes Wort...
Februar
2000
© sigrid kriener
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