madonnas archiv

Oktober 2004



Diese Geschichte  gehört inhaltsmäßig zu meinen 'Bodytexten' wie  'Behaart'.
Ausgelöst und inspiriert wurde sie durch 
einige Geschichten meines Freundes Doderer vor allem:

 

Meine Geschichte hat wiederum Quoth inspiriert zu:
Die Verweiblichung

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 



Andere Umstände 

I
Neulich, unter der Dusche im Fitnesscenter, - ich war allein, wie ich glaubte - bemerkte ich durch eine schemenhafte Bewegung nebenan, eine wohlgestalte junge Frau unter der Nachbardusche. Sie stand im Lichtkegel des Halogenstrahlers und dem Dunst des herabströmenden heißen Wassers, entrückt wie unter einer Glocke, schlank und muskulös, aber überaus weiblich. Ihre Haut war zartbraun und schimmerte wie auf einem Werbeplakat für Bodyshampoo. – Was für Brüste! – 
Ich betrachtete meine Nachbarin ebenso selbstvergessen wie zuvor den Seifenschaum, der vom Wasser getragen, in Mäandern über das Natursteinmosaik glitt. - Es war kein Neid dabei. Wenn mich ein Anblick fesselt, vergesse ich alle Manieren, bis hin zur Schamlosigkeit. - Der gerade Rücken, der Bauch, der Po, das feste Gewebe - zusammen bildete das eine makellose Silhouette. Mein Blick verweilte einen Moment auf den durchgebildeten, kräftigen Schenkeln und glitt dann weiter. Ich stutzte. Für Sekunden vergaß ich auszuatmen. Da, wo ich seidig gelocktes Schamhaar erwartet hatte, reckte sich ein erigierter Penis, sanft massiert von wohlgeformten Fingern. Ich schloß unwillkürlich die Augen und riß sie dann wieder auf. Meine Nachbarin hatte sich inzwischen abgewandt und wusch sich nun die Waden. Seitlich, auf ihrem Oberschenkel, gewahrte ich eine Art Muttermal, ein waagerecht verlaufender mittelbrauner Fleck, von beachtlicher Größe. Ich blinzelte, schaute noch mal. Die Frau richtete sich auf, griff zur Seite und stellte das Wasser ab. Sie grüßte mit einem kurzen Blick über die Schulter. Dann entschwebte sie, nahm im Nebenraum ein großes Handtuch von Haken, schlang es sich um den Körper und verschwand. 

II. 
Zwei Tage später, als ich aus der Schwimmhalle hinaus in den sonnigen Garten trat, sah ich sie wieder. Sie saß nackt, im Schneidersitz, auf einer der Pritschen, die im Karree um den Goldfischteich aufgestellt sind und blätterte, vornüber gebeugt, in einer Illustrierten. Ich erkannte die Frau sofort, obwohl sie ein Handtuch als Turban um den Kopf gewunden hatte. Sie richtete sich auf, stützte die Hände in die Taille und drückte das Kreuz durch. Wieder bewunderte ich ihre perfekten Brüste. Dann streckte sie auch die Beine, eines nach dem anderen, und legte sich langsam, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, rückwärts auf das ordentlich ausgebreitete Badetuch. 

Da ich mich in schicklicher Entfernung befand, richtete sich meine Aufmerksamkeit genau auf die Stelle, die mich zwei Tage vorher so irritiert hatte. Tatsächlich. Da war ein Penis. Das Teil lag schlaff und geschrumpft zur Seite gerollt und machte einen nebensächlichen Eindruck. Ich hatte mich also nicht getäuscht. 

Die Sonne stand fast im Zenit. Es war später Vormittag und die meisten Liegen waren noch frei. Wohin? Ich zögerte. Die Neugierde siegte. Ich belegte die Pritsche neben der Frau mit meinen Sachen und stellte das Kopfteil tiefer. Dabei rutschte mein Buch vom Polster und landete mit einem vernehmbaren Klatschen auf den Holzbohlen zwischen den beiden Liegen. 
Die Frau drehte ihren Kopf ein wenig in meine Richtung und schaute unter hochgezogenen Brauen zu mir herüber. Ich entschuldigte mich für die Störung. 

„Schon gut“, sagte sie und beschattete mit einer Hand ihre Augen. Sie sah mir zu, wie ich mich setzte und nach dem Buch fischte. 

„Geschafft“, sagte ich lächelnd und wedelte mit dem Buch, konnte aber nicht vermeiden, daß mein Blick abglitt und sich wieder an dem nicht ganz gehörigem Körperteil festsaugte. 

„Ist was?“ Ihre Stimme klang jetzt reserviert. 

Ich fühlte mich ertappt aber beschloß meiner Neugierde nachzugeben. 

„Haben Sie das schon lange?“ fragte ich und löste meinen Blick nur langsam. 

„Ich wüßte nicht, daß Sie das etwas angeht“, erwiderte sie kühl. 

Ich spürte, wie ich rot wurde und stammelte so was wie „Entschuldigung“ und „interessehalber“. 

Sie starrte mich unentschlossen an, dann zuckte sie mit den Schultern und sagte ohne jede Peinlichkeit, als sei das etwas ganz Normales: 

„Ich habe es seit etwa 10 Monaten. Es war plötzlich da, bzw., es wuchs mir innerhalb weniger Tage.“ 

„Einfach so?“ 

Sie nickte. 

„Und wie kommen Sie damit zurecht?“ 

Die Frau schwieg. Sie wippte mit den Zehen und betrachtete sinnend die dunkelrot lackierten Nägel. 

„Gar nicht so schlecht“, sagte sie, als ich schon nicht mehr mit eine Antwort gerechnet hatte. „Ich kann jetzt im Stehen pinkeln.“ Sie kicherte. „Das wollte ich schon immer können, seit ich klein war.“ 

„Ja, wenn man’s so betrachtet. Alles hat seine praktische Seite.“ Auch ich mußte lachen. „Und weiß man etwas über die Ursache?“ 

„Eigentlich nicht.“ - Sie runzelte die Stirn, zog das Handtuch vom Kopf und schüttelte das honigblonde glatte Haar. - „Es gibt Vermutungen, daß es mit dem Wandel der Stellung der Frau in der Gesellschaft zu tun hat. Für Frauen ist heutzutage vieles erreichbar, was früher den Männern vorbehalten war. Im Beruf. Im Sport. Auch wesensmäßig soll es zu Angleichung kommen. Ich bin kein Einzelfall.“ 

„Sie meinen, man nimmt an, die Evolution folgte diesem Wandel innerhalb weniger Jahre?“ Ich versuchte in Gedanken die möglichen Folgen zu erfassen. 

„Was weiß ich? Wenn sich nicht mal die Experten einig sind“, sagte meine Nachbarin. 

Wir schwiegen beide eine Weile. Sie legte sich wieder bequem. 

„Und beim Sex?“ fragte ich schließlich, „Gibt es da keine Probleme?“ 

„Weniger als man zunächst glauben sollte. Es steigert die Experimentierfreude. Die Chancen haben sich vervielfacht. Es gibt Männer, die darauf geradezu abfahren. Und auch bei Frauen stößt diese Variante auf lebhaftes Interesse.“ – Es schien, als ob sie mir mit halbgeschlossenen Lidern zublinzelte. – „Unsere Gesellschaft ist in dieser Beziehung toleranter, als man gemeinhin annimmt. Mich hat das auch erstaunt.“ fuhr sie fort. 

„Und als was fühlen Sie sich? Als Frau oder als Mann?“ 

„Na, als was schon? Als Frau natürlich.“ - „Meist.“ fügte sie nachdenklich hinzu. „Schließlich bin ich noch immer eine Frau mit allem, was dazu gehört.“ 
Damit zog sie einen Handtuchzipfel lässig über das anstößige Teil, setzte eine Sonnenbrille auf und beendete das Gespräch, indem sie sich wieder in ihre Illustrierte vertiefte. 

III. 
Mir ging dies Zusammentreffen und die Unterhaltung nicht aus dem Sinn. Ich war beunruhigt und fragte mich, was das alles zu bedeuten hätte. Manchmal glaubte ich sogar, ich hätte zu lange in der Sonne gelegen und das alles nur geträumt. Bis gestern. 
Ich lag wieder am Pool und döste vor mich hin. Das Wasser plätscherte von dem großen Stein ins Becken und ich dachte an die Goldfische unter den Seerosen und an die beiden Kois mit ihren schweren Köpfen. Die Sonne stand bereits tief und mein Platz lag schon eine Weile im Schatten. Mir war plötzlich kühl. Ich dehnte mich und rollte mich auf die Seite. Nur noch einen Moment, dann wollte ich gehen. Ich öffnete die Augen. Es dauerte etwas, bis sie wieder in der Lage waren, die Dinge zu fokussieren. Dann sah ich ihn. Seine Liege stand auf der gleichen Seite des Pools wie meine, nur einige Plätze entfernt und bekam noch Sonne ab. Er schlief, sein Kinn war etwas herabgesunken und sein durchtrainierter, glatter Körper lag völlig entspannt. Friedlich. Weiche Gesichtszüge unter dunkel schimmernden Bartstoppeln, beinahe rührend. Ein hübscher junger Mann - eigentlich. Doch etwas störte. Er hatte Brüste wie eine Frau. Ich stützte mich auf um besser sehen zu können. Kein Zweifel, das waren eindeutig weibliche Formen und keinesfalls aus Silicon. Aber sie standen ihm nicht. Die weichen Formen zu dem breiten eckigen Brustkorb – das wirkte einfach unharmonisch. Es stieß mich ab. Im Geiste verglich ich ihn mit der Frau, mit der ich mich kürzlich über solche Art Verwandlung unterhalten hatte. Sie fand ich, trotz ihres ungewöhnlichen Anhängsels, attraktiv. Aber wieso? Und was, wenn nun.... ? Ich dachte den Gedanken nicht zu Ende, sondern tastete verstohlen unter dem Handtuch nach meiner eignen Scham und seufzte erleichtert. 

'Etwas geht hier vor', grübelte ich. 'Aber woher? Und wozu?' 

Noch ganz mit diesen Gedanken beschäftigt, raffte ich meine Sachen zusammen und machte mich auf, den Garten zu verlassen. Der Mann schlief noch immer, als ich bei ihm vorbeikam. Wieder einmal konnte ich mir einen Blick aus den Augenwinkeln nicht verkneifen. - Hinter seinem Hodensack schimmerte eine rosige Möse. 

© sigrid kriener

 

                         


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