Doderama präsentiert Doderers Abenteuer

  Wie wir wurden was wir sind (1)


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Die roten 70er

Die roten Siebziger?
Ja, das waren noch Zeiten, die den Namen Zeiten verdienten! Ich bewarb mich als einer der ersten aus unserer Grundschule bei der RAF, aber die nahmen mich nicht, meiner abstehenden Ohren wegen, wie Gudrun (ich nannte sie ab da nur noch das ‚Guthuhn’) mir erklärte. In Wahrheit aber, weil sie keinen unter 14 wollten, denke ich, obzwar ich im Kinderladen schon dreimal das Matratzenlager angezündet und damit wohl zur Genüge gezeigt hatte, daß es mir ernst war mit der Revolution.
‚Stoffel’ Wackernagel, einer der zwei bayrisch sprechenden RAFler, riet mir, wenn ich unbedingt subversiv werden wolle, doch zum MAD (Militärischer Abschirmdienst) zu gehen, dorthin sei es mit dem Fahrrad auch nicht so weit für mich zu fahren. Der MAD hauste damals in Pullach, hatte eine schöne Kegelbahn im Haus und ein kleines gelbes Unterseeboot im Starnberger See liegen, mit dem man im Sommer zuschauen konnte, wie die Mädels ins Wasser pinkelten, wenn sie sich, weit draußen vom Ufer weg, unbeobachtet glaubten. Trotzdem kam dieser Verein für mich, schon des kleinbürgerlichen Haarschnitts der MADler wegen, nicht in Frage.
In meiner Enttäuschung über die Ablehnung durch die 'Vorhut der werktätigen Massen', spielte ich mit dem Gedanken, mich vollständig in den Schoß der Mutter Kirche zurückzuziehen, schloss ich mich aber dann doch der Gruppe um den bekannten Päderasten Hermann Löwauer an.
Löwauer, ein Schwabinger Urgestein, dem schon Hitler und sogar noch Lenin in München begegnet waren, lebte damals bereits Jahre im Hospiz für ehemalige Berufsrevolutionäre in der Schwantalerstraße und war soeben aus Mitteln des städtischen Kleinkunstetats reaktiviert worden. Man plante mit seinen Aktivitäten einen ‚Gegenbrand’ zu den damals überall auflodernden Aktivitäten der Roten Zellen zu legen. Dass er letztlich nur als Werkzeug des bayrischen Imperialismus fungierte, wollte er aber, trotz seiner peniblen Rechnungspflicht in Sachen Spesen, ums Verrecken nicht wahrhaben! Jedenfalls gründete er die Hedonistische Fraktion ‚Hed.Frakt.M/L’*, eine Kaderorganisation von Berufsgenießern, der Motto lautete: 'Die Befriedigung der Proletarierinnen kann unmöglich alleinige Sache des Proletariats sein!' Löwauer plante langfristig die Kollektivierung aller Brauhäuser und Biergärten, als erstes revolutionäres Fanal jedoch die Erstürmung des Maximilianeums und dessen sofortige Umwandlung in ein Erholungsheim für gemobbte Fahrkartenkontrolleure des MVV. Als wir an eine nebligen Novembermorgen an die 23 Mann hoch gegen das Pförtnerhäuschen vorrückten, und die Wachmannschaften aufforderten, sich uns anzuschließen, beschied man uns, dass das Maximilianeum bereits übervoll sei von ausgebrannten MVVlern. Unsere Revolte brach daraufhin rückstandslos in sich zusammen. Löwauer wurde Nörgler und Flaneur, verfiel einer gewissen Hanna Landovskaja vom Mossad und kurz darauf dem Wahnsinn. Schließlich wollte er unter dem Motto ‚München leuchtet’, den Brand der Stadt zur E-Gitarre begleiten und plante zu diesem Zweck den Kauf einer Raffinerie in Ingolstadt, sowie einer Flotte von Tanklastern, war aber von seinen Hintermännern inzwischen längst fallen gelassen worden und daher völlig mittellos. Was blieb ihm übrig: er musste zurück ins Hospiz, wo er noch lange Jahre die bunten Abende ausrichtete. Ich aber ging in mich und kam erst wieder daraus hervor, als die Zeiten danach waren: als man beispielsweise wieder nachts auf die Straße gehen konnte, ohne einem Mütterchen die Handtasche entreißen zu müssen, um nicht als kleinbürgerlich zu gelten.


*Hedonistische Fraktion Marxisten/Löwaueristen




                                                                                 
  Ha!  >>>

 

 

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