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Begegnungen der besonderen Art



Christina Schragner


Geschälte Äpfel


Gevögelte Zitrone

Keine Verabredungen mehr
mit Trudy


 

"Anfang 2003 kam Christina ins vier w Forum und damit immer mehr Leben in die Bude. " schrieb MVS damals. Und er hatte recht.

2004 zog sie mit um in das Forum text-fuer-text.de an dessen Gestaltung und Unterhaltung sie mitwirkte.

Zuvor erwärmte sie sich schon für das Forum von Doderer, und wir habe einige Jahre lang dort in einer kleinen Gruppe  an Texten gearbeitet. Derzeit ist sie in keinem Forum mehr. Die Arbeit, die Arbeit... aber wir sehen uns regelmäßig.

Im April 2004 trafen Christina, Katja,  Doderer und ich  uns  bei Katja in Augsburg.




Im Juni 2004 besuchte sie MVS und mich zusammen mit Katja (ariadna) in Hamburg. Wir hatten eine gute Zeit einschließlich
EM -Gucken.


Anfang August 2004 trafen wir uns  bei Trist in in Osnabrück.





März 2005: wieder bei mir  in Hamburg die beiden :-) , anläßlich der Lesung 'Jonathan trifft Mutterwitz'.

usw.
Dez.2005 wieder bei Katja in Augsburg

Christina besucht mich einmal im Jahr.
Ein gern gesehener, lieber Gast in Hamburg. Die Zeit ist immer viel zu kurz.
Ich wohne bei ihr, wenn ich in München meine Enkelin Lilli besuche.
 

2009  an meinem Geburtstag

                
                

 

Gevögelte Zitrone

Das Vorspiel

Seit zwei Tagen lag sie nun schon in einer Glasschale neben säuerlichen Äpfeln, üppigen Birnen, beleibten Orangen, hochnäsigen Limetten, steifen Bananen, einer unreifen Ananas und langweilte sich. Sie hatte sich wirklich gefreut, als eine Hand im Feinkostladen nach ihr gegriffen hatte, an ihr geschnuppert wurde und sie mit vielen anderen Köstlichkeiten in einem Korb in diese Küche getragen wurde. Giallina, eine in Sizilien gewachsene, strahlend-gelbe Zitrone in prallem Saft stehend und unbehandelt; wie die Natur es vorgesehen hatte.
Am frühen Nachmittag, gerade als sie zum wiederholten Male die Basilikumblätter am Fensterbrett zählen wollte, kam jemand in die Küche, stellte einen Korb auf den Tisch und packte aus: Baguette, Datteln, San Daniele Schinken, Gruyère, Ziegenkäse, verschiedene Salate, Tomaten, einen Bund Karotten, Lauch und ein Huhn. Sie stieß einen verzückten Schrei aus, als sie es genauer betrachtete: es war ein wohlgenährter Vogel aus Bresse, eine Poularde. Welch ein Glücksfall, dachte sie und hoffentlich ... nein, sie wagte gar nicht daran zu denken, dass sich ihr Saft womöglich nicht mit dem des Vogels vereinigen durfte.
Musik. Sie zog sich zusammen um sich gleich darauf wieder zu entspannen, als sie La Traviata erkannte. Er kam wieder in die Küche, schenkte sich ein Glas Wein ein. Sie lauschte der Musik und genoss es, ihm bei seinem geschäftigen Treiben zuzusehen: Er knetete kräftig einen Hefeteig bis er samtig glatt schimmerte. Dann hackte er Walnüsse, würfelte Gruyère, entsteinte Datteln und so sehr ihr alles gefiel, so sehnsüchtig schielte sie gelegentlich zum Kühlschrank, wo dieses Prachtexemplar von Vogel war. Die Walnüsse knetete er in den Teig und in einer Kastenform schob er ihn ins Rohr. 
In diesem Moment klingelte es und ein anderer Mann betrat kurz darauf die Küche. Die beiden redeten, lachten, tranken Wein und bereiteten das Abendessen weiter vor: Der Tisch wurde gedeckt, Salat gewaschen, Tomaten geviertelt, Karotten geraspelt, die Datteln mit dem Käse gefüllt und mit hauchdünn geschnittenem Pancetta eingewickelt. Das Nussbrot war fertig und verströmte den gemütlichen Duft frisch gebackenen Hefeteiges in der ganzen Küche. Ihm folgten die Datteln ins Rohr. Giallina wurde langsam ungeduldig als noch andere Gäste kamen und sie immer noch unangetastet in der Schale lag.


Der Akt

Der würzige Duft gebratenen Specks stieg ihr in die Nase als sie plötzlich sah, wie der Bresse-Vogel abgewaschen und dann sanft abgetrocknet wurde. Endlich, dachte sie, endlich, es geht los! Salz und frisch gemahlener Pfeffer rieselten auf seine Haut, ein üppiger Strahl Olivenöl ergoss sich über ihn und zwei Hände massierten es liebevoll ein. Die Haut glänzte weich und verführerisch, als sich zwei Finger vorsichtig zwischen Haut und zarter Brust schoben um Platz für aromatische Zweige Rosmarin und Lavendel zu machen. Giallina bebte vor Erwartung als sie sah, wie er auch innen mit Salz, Pfeffer, Rosmarin und Thymian gewürzt wurde.
Giallina reckte sich der Hand, die nach ihr griff, freudig entgegen, schmiegte sich an die weiche Haut und genoss dann entspannt den lauwarmen Wasserstrahl, unter dem ihre gelbe Schale aufmerksam abgewaschen wurde. Die Wärme öffnete leicht ihre Poren und ein frischer, koketter Duft entströmte ihr. Sie zitterte, als sie die Gabel sah, die vorsichtig fünfmal in sie stach, damit sie nachher ihren köstlichen Saft verschwenderischer verteilen konnte. Langsam schob die Hand sie in den Bauch der Poularde und Giallina fühlte sich sofort wohl in der dunklen, feuchten Höhle des Bresse-Vogels. Genüsslich rieb sie ihre geschmeidige Hülle an die Rosmarin- und Thymianstengel. 
Jetzt wurde es enger und sie stöhnte leicht, als der Rosmarin seine Nadeln sanft in ihre Schale bohrte. Sie schloss die Augen, drehte sich langsam um all die Aromen in sich aufzunehmen und bemerkte kaum, dass es wärmer wurde. Der Geruch wurde intensiver und plötzlich elektrisierte sie ein heißer Tropfen, der sich den Weg in ihre Mitte bahnte: Es war der köstliche Geschmack des Vogels, der mit knisternden Geräuschen außen knuspriger und innen weicher wurde. Aufgeregt streckte sie ihre Spitze hinaus, sah die braune Haut, roch den kräftigen Knoblauch und ihr Innerstes vibrierte. Ein weiterer Tropfen rann langsam über ihre Spitze und noch einer drang in sie und noch einer und noch einer ... Sie drehte sich, rieb sich auf, stöhnte von der Hitze, die sie erreicht hatte und als das Rohr geöffnet wurde, spritzte sie ihren heißen Saft in alle Richtungen.
Erschöpft, matt und glücklich lag sie da und verfolgte mit halb geschlossenen Augen die Geschehnisse.

Das Nachspiel

Der knusprige Vogel wurde zum Tisch getragen und mit lautem erwartungsfrohen Geplapper empfangen. Die Gäste hatten sich mit Sherry und den verschämt verhüllten Datteln auf die Melone mit Schinken vorbereitet und waren jetzt gespannt auf diese Köstlichkeit. Der Duft von knusprigem Huhn, Knoblauch, Lavendel und Zitrone hüllte alle ein, ließ ihre Augen glänzen und die Säfte in ihren Mündern zusammen laufen.
Giallina wurde aus dem Bauch des Bresse-Vogels geholt und von einem Teller sah sie zu, wie er fachgerecht tranchiert und dann auf die Teller verteilt wurde. Sie hörte befriedigt die 'Ahs' und 'Ohs', sah wie ihr Saft mit dem des Huhns auf frischem Baguette in gierige Münder geschoben wurde und vom Duft des Weines leicht benebelt schlief sie müde ein.
Leises Lachen weckte Giallina auf. Sie räkelte sich und sah sich um: Leere Gläser, auf einigen Tellern Reste von Nussbrot mit Ziegenkäse und Honig, viele leere Flaschen, aber niemand saß mehr am Tisch. Während sie die Herkunft des Lachens noch suchte, hörte sie eine warme Bass-Stimme sagen: „Wie könnte ich jemanden widerstehen, der solche Gaumenfreuden zubereiten kann!“ 


© Christina
Schragner




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