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Begegnungen der besonderen Art



Christina Schragner


Geschälte Äpfel


Gevögelte Zitrone

Keine Verabredungen mehr
mit Trudy



















              
                



Keine Verabredungen mehr mit Trudy


Es ist einer dieser Samstagabende, die ich hassen müsste, weil ich alle Samstagabende hasse, seitdem sie weg ist. Irgendwann hatte ich bemerkt, dass mir die Abendessen mit den Mini-Bonbels („Nur für dich, weil du sie so liebst!“), fehlten und das Backgammon spielen.

Sobald mir das bewußt war, wurden diese Abende unerträglich und ich fand zahlreiche Ablenkungen: Parties, Wein und Frauen. Einzeln oder als abend- und nachtfüllende Cocktails. Eine zeitlang war das recht vergnüglich, denn vor allem das Auspacken von Frauen war genauso einfach wie das Herausschälen der kleinen Käselaibe aus der roten Wachshülle. Je größer und quälender sich die Lücke zeigte, die der kleine Käse hinterlassen hatte, desto mehr mitfühlende Seelen fanden mich, die scharf darauf waren, diese Lücke zu schließen. Schnell wurde ich dieser Ablenkungen überdrüssig, weil sie mich hungrig und suchend zurückließen. Sie konnten mit dem kleinen Käse nicht mithalten und seitdem hasste ich Samstagabende.

An einem dieser Samstagabende, lernte ich Trudy kennen, in einer Bar. Sie ist keine Frau, die mir aufgefallen wäre, aber Charly, der Barkeeper, hatte sie mir vorgestellt. Schon nach kurzer Zeit war ich von ihrer kühlen, zurückhaltenden Art angetan. Wir unterhielten uns eine Weile, und ich spürte, dass sich dahinter eine tiefgehende Wärme entwickelte, die sie mir nicht vorenthielt. Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln und wir verbrachten die Nacht zusammen.

Sie führte und bereitwillig ließ ich mich von ihrer verwirrenden Mischung aus unterkühlter Wärme, nachgiebiger Stärke und bedingungsloser Hingabe auffangen. Am nächsten Morgen, sie war längst gegangen und nur ihr leeres Glas zeugte von ihrer Anwesenheit, schrie jede Faser meines Körpers: oh, Trudy!

Wir trafen uns wieder und wieder und von Mal zu Mal wollte ich mehr von ihr. Ich trank von ihrem heißen Atem, lehnte mich an ihre Stärke, löste mich in ihrem weichen Körper auf, doch sie zeigte mir immer häufiger auch eine kühle, abweisende und zerstörerische Seite. Ich war ihr verfallen und ich rebellierte dagegen.

Eines Abends, wir hatten uns sehr lange nicht gesehen, ging ich in die Bar, weil sie dort fast immer anzutreffen war, doch Charly erzählte mir, dass sie einen neuen Liebhaber gefunden habe. Er grinste vielsagend und stellte mir Margarita vor. Eine herbe Schönheit. Wir unterhielten uns angeregt und als mein Glas leer war ging ich, ohne sie.

Es ist einer dieser Samstagabende, die ich eigentlich hassen müsste, doch heute bin ich mit einem kleinen Käse verabredet und vielleicht treffen wir Trudy – auf ein Glas.




PS: Wer Trudy auch kennen lernen möchte, nimmt ein großes Glas, füllt es mit einigen Eiswürfeln, gibt 4 cl Vodka, 4 cl Cointreau, 6 cl Grapefruitsaft dazu und füllt es bis zum Rand mit Champagner.



© Christina
Schragner

 


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