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Susanna Bummel

 worttreich intelligent, leidenschaftlich.

Gedichte

Altes Europa

Sisyphos on strike
 

lesbarkeit
-
der Text könnte Susannas Profil sein. So kenne ich sie:
hin- und hergerissen :-) .....

über diesen Text würde im Forum  ausführlich und ernsthaft diskutiert. Wenn ich zusammenfassen sollte, was dabei herauskam:
Jeder Schreibende kann die Antwort nur bei sich selbst finden. Also schreib, wie DU schreibst Susanna.! (Katja nannte es "Stil", Toma hat sehr viele kluge Antworten gegeben, aber die entscheidende war sinngemäß: Kümmere dich nicht darum, was du schreiben "solltest", richte dich nicht nach anderen, höre auf deine innere Stimme, denn DAS
ist DEINE STIMME.


Freischreiben
- der Text ist vielleicht eine mögliche Antwort auf die zuvor gestellte Frage:

 Was will ich?  

und auf andere mögliche Fragen.
Zugleich Frage und Antwort.

 


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Erstellt wurde diese Seite im Februar 201
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lesbarkeit



einfache, klare sprache oder kunstwerkliche ziselierung?

durch mich selbst geht ein riss, bin ich doch vollkommen gespalten.

für alle verständlich möchte ich sein, nicht nur einer kulturelite hätschelkind, sondern jedem menschenbruder bereicherung, pause im sisiphos, ahnung der gegenwelt, zauberwort für der gefährtin wangenrot.

und doch springt meine sprache kapriolen, erfindet sich neue wörter, spielt mit fremden, lässt sich von dunkelmännern bobmots schenken, verschraubt ihre tanzschritte, stiehlt symphonischen klang, reißt sich blutig am fleisch der codierungen.

ich weiß nicht, was tun?

es schreibt aus mir heraus, schießt aus wie die bäume im mai. ich als ganzer bin drin. kann nicht zurück hinter meinen lebenswortschatz, meine lebenslesungsfrüchte, meinen eigenen jux, den ich mir machen will, jaja, nestroy, dem volk aufs maul schaun kann ich auch, aber dann, gleich drauf, kommts wieder: die vulgata, caesar, seneca bis rimbaud und pound. den einfältigen - nur eine falte? wie will man da spielen? mit welchem gewinn darin suchen?

also so schreiben, dass der eine nur eine falte, der andere den faltenwurf in jedem wort, jedem satz lesen kann? wie caesar den vordergrund in kurzen, einfachsten hauptsätzen; den hintergrund dazu in eingeschobenen, oszillierenden gliedgefügen? doch wie soll der pinsel die eine falte erkennen? farbig markieren sollte ich sie, oder aber in fußnoten, jedem einfachen hauptsatz also eine girlande aus ziffern, hochgestellt, hinterherwehen lassen wie einen kometenschweif? kursiv, intensiv wen hervorheben: den haupt-oder gliedsatz?

sollte ich getrennt: frauen- und männerliteratur schreiben? langatmig, aber einfach für frauen; kurz, aber polyphonierendes wortmaterial für männer?

ist das legitim? soll ich das kinderbuch in einen vorgeblichen kinderwortschatz zwingen? ein fremdwörterglossar in marginalien ergänzen? oder einfach den texten vertrauen, sie würden ihre leser von alleine finden, notfalls den gebildeten menschenbruder neben sich in ein gespräch ziehen, zur beratung an sich heran lassen, kommunikationsgewinn, menschliches zusatzplus auch für mich?

gibt es aber nicht andererseits eine schönheitslust am unverstandenen? welcher zynische frauenfeind sagte nicht, es gäbe frauen, die seien so unverständlich, dass man nicht enden wolle, und könne, hinter ihrer leeren, doch unbeschreiblich schönen maske doch noch immer weiter zu suchen, um nichts zu finden?

kann nicht die vollkommene unverständlichkeit, aber strahlende schönheit eines wortgemäldes auch im einfachsten nebenmir ein inneres beben auslösen, wie die sonne oder der regen oder der nächtliche sternenhimmel? warum traue ich ihm nicht zu, dass er sich n i c h t voll grauen abwenden würde, nur weil der sinn dunkel bliebe? gingen nicht centennien menschen vor raunendem, ihnen fremdem latein in die knie?

ich weiß es nicht.

kommunikation oder anbetung? was will ich?

stehe ich auf der richtigen seite? lasse ich mich vor den falschen karren spannen? kann und darf ich von welt absehen, um nur der sprache zu leben? codiere ich für mich oder für möglichst alle? ändere ich die welt oder nur mich? gebe ich den armen brot oder nur wieder den reichen diamanten?

ich tue das eine und will das andere.



2004

© Susanna  Bummel







Frei schreiben

Jeder Wunsch bewirkt sein Gegenteil. Mir wünschte man fortdauernde Kreativität und schon ist alle Kreativität verflogen wie Raben nach einem lauten Knall. Na danke!
Selbständig floss die Feder dahin in einem Früher, als ich mich nur hinsetzen musste, die Hände bereit, die Gedanken gebändigt wie eine Ameisenstraße. Nun aber überschichten Theorieüberlegungen in mehreren Stapeln alles Quirlige im Innern. Fort damit! Frei schreiben!
Wohin geht der Weg? Ins Narrentum, denke ich. Mir zur Freude in den unentdeckten Kosmos des Heute. Wie das Wasser von mir neu getrunken mir unberührt und rein erscheint, obwohl es doch vor mit schon Dante getrunken hat, beispielsweise, mit ausgetrocknetem Mund über dem christlich gedachten Inferno sitzend, in das er die Klügsten vor ihm verbannt hatte, nicht ahnend, einer Erzählung aufgesessen zu sein. Bevor dieses Wasser also von Dante wieder ausgeschieden in einer Kanalisation landete und zu Wolken verdunstete, da muss es seine vermutlich schlechten Zähne umspült haben und eine geübte Zunge. Dantewasser in den Wolken regnete es aus ihnen herab, wurde aufgefangen, Grundwasser, Trinkwasser. Getrunken von Tucholski. Ach, was rede ich, von Pampa und Meer und dem Münchner Grundwasserspiegel. Urin der Ahnen. Wie kann man nur die Wolken besingen!
Oder die Erde. Diesen Staub der Toten, auf dem wir stehen. Ihnen will ich singen wie meine Fußsohlen sie streicheln und anbeten: Ihr, die Ihr Alles hinter Euch gelassen, was gut und schlecht, was Ihr und Fremd, die Ihr nun von mir betreten werdet und betreten äugt, gesichtslos verschmolzen zu einem Boden, der trägt, inmitten von Ozeanen auf denen Ihr schwimmt. Treibgut (gut?) der Geschichte oder der Ahnung, die wir aus Erzählungen von ihr haben. Meine Erzählungen will ich dazu werfen in dieses Meer, nur um das Wasser zu vermehren, es mit einem Mond vom dunklen Grund her anzustrahlen, auszukegeln, zu beleuchten, bevor ich noch die Erde braun und bittersalzig vermehre um einen Quadratmeter zusammengedrückt. Anfangs nur von dieser Größe, denn das Häuflein des Gebeins, ja ich geb eins, wird kleiner sein. Ein Wurzelballen, so groß. Und treten wird man, so hoffe ich, auf mich mit einem veränderten Gefühl. Was ist mit mir? soll der Tretende sagen. Sich an die Stirne fassen oder an das Herz. Ach, Sie meinen ein Herzziehen habe einen anderen Grund? Nein, nein. Sie stehen nur auf einem Toten der erinnert sein will. Der nicht aufhören kann, zu fühlen, zu denken und zu lachen. Wie viele Tote müssen lachen zu einem Erdbeben. Die Opfer, die zu früh Gefallenen ohne Altersstarrsinn und Agonie. Aus dem Leben gerissen an einem sonnigen Tag, in einem Moment des Gedankenspiels über Sexus und Brot. Schon lauerte der Mörder. Schon zog sich das Blut in sich zurück und hurtig die Schwelle genommen. Ist gar nicht weit eigentlich vom Stand in den Boden, nur dies kleine Stück. Ganz schnell geht das. Narretei von gleichzeitig Verschwendung und Geiz. Das Gebein gehört mir! Ein Knöchelchen schenk ich dir, Liebster. Auf ihm pfeife mein Angedenk, wenn dein Abendrot kommt.
Meine Leber (leb-er? ist das der göttliche Startspruch?), meine Nieren (nie-renn?), mein Herz (ha!erz?), meine Lunge (lieb-und-geh) werden gehn. K-noch wird bleiben. K, ja, Kürzel des Menschseins. Von einem K-aff-k ausgesprochen in dauernder N-Abel-schau. Nur kein Abel sein, nicht wahr? Kain.
Kain schreibt also seine erschlagenden Worte in die Abels. Gibt nur leider nicht viele. Sind alle schon erschlagen. Aber ich trage das Kainsmal auf der Stirne und auf meiner rechten Hand. Ich erschlage mich selbst. Hirnonan. Doch ich werde mich auf den Knochen besinnen. Und auf die Knochen Abels, die zu Hauf herumliegen müssen wie Sand am Wortmeer. Eine ganze Wüste. Die Abeldünen. Dort kann ich mich frei bewegen, sie formen nach meinem Bild. Sie wandern lassen in unzähligen Umhäutungen. Sanft natürlich mit einem Summen. Und auf dich, Liebster, gebe ich mein Wasser. Eine Oase sollst du sein. Die Kainsoase, die mich erschlug. Die mich schuf. Denn ein erschlagener Abel zeugt manches mal einen Kain. Nur dann aber, wenn dieser das Mal schon trägt. Tragen kann, denn auch das ist Erbe.
So habe ich mich also verortet. Spreche wie der erste Mensch aus den Knochen. Spreche zu dem letzten Menschen in der Erde. Frei.
Wälze die Dünen des Gesagten, Todeswerkzeug sich selbst erzeugendes Todeswerkzeug, weiter um. Ein Mistkäfer, der seine Ausscheidungen und die der anderen zu hübschen Kügelchen formt. Sich davon ernährt. Seine Knochen stärkt. Noch lebt.


© Susanna  Bummel





 



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