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Susanna Bummel

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Sisyphos on strike

Ich weiß nicht, wie lange mein Stein und ich - und es ist ja immer der selbe Stein, ein Fels, fast etwas größer als ich, den immer wieder selben Berg, den uns irgendein unerfindliches Schicksal in grauer Unvordenklichkeit zuwies, wie lange also wir uns dieser Umwelt zeigten, die uns achtsam oder verächtlich dabei zusah, bei diesem für alle anderen unsinnigen Unterfangen, nur uns Sinn und Erfüllung, wie lange wir uns also diesem Wechsel schon ausgesetzt hatten,

aus Mühe: ich im Stemmen und Rollen, mein Stein in Gewicht und Schwerkraft, über die Huckel und Scharten, die schroffen und rutschigen Partien, Abschnitte, Täler und immanenten Kleingebirge des Berges hinauf
und das Unglück, das wir beide empfunden, ja, auch der Stein, ich konnte es über die Jahre genau fühlen an der vergehenden Abstrahlung von Reibungswärme, das Unglück, war das Ziel erreicht, noch keines in Sicht, Kein Neu, kein ANDERS, die Bösartigkeit, die nötig war, diesen Erreichten Zustand aufzugeben, ihn zu verlassen, verlassen zu können diesen Stillstand, die Verschwendung von Kraft, Energie und Selbstheit, in den uns dieser Augenblick Ruhe zwang, die doch nie sicher war, durch ein Abwärts könne wieder und wieder ein Neuanfang gefunden werden -
nach Mühe des Bergauf und Unglück des kurzen Ruhepunktes der Wechsel also,
erlösendes Bergab, seinbares Ausbrechen aus dem Zwang, lockeres, lautes, fast übermütiges Gepolter von Stein und mir, über die Buckel bergab, accelerierendes Gehüpf, fast kindisch: plopp, plopp - holter die polter - weit trifteten wir manchmal auseinander, der Stein und ich, und so in Bewegung, so unbeschwert schien uns die Welt weit weg und doch unter unseren Füßen tanzend, uns immer wieder kleine Impulse zum noch schnelleren Absprung bietend, nichts zu fordern, keinem Gesetz als dem Bergab unterlegen

bis zu dem heiligen, mystischen Moment des Ganzunten: des Neuanfangs, dem immer wieder eine Art von Hoffnung immanent war, weil neu, so zu eigen das Hoffen, das fast schon sinnliche Begehren das Bergauf werde diesmal ein anderes, in ihm stecke ein anderes, ein irgendwie neu zusagendes, neu uns Zusagendes, ein noch besser oder noch schneller vielleicht, ein Glücklicheres Glücken auch, eine andere Beleuchtung, eine noch nicht gekannte Art von Ermüdung, eine dem Stein und mir noch unbekannte Art der Verständigung, in der ich ihm oder er mir in einem schwachen Moment ein noch besserer Gefährte sein würde als jemals zuvor, ein noch innigeres Verbundensein in diesem - nach außen doch sinnlosen, nur uns bis ins Innerste erfüllende und ausfüllende - Tun, dem einfach gemeinsamen Tun, das sich selbst aus sich heraus immer noch gerechtfertigt hatte, einfach als Bewegung, als lebensgesetzliches Richtig.

Und doch - seit einigen Zyklen eine Ermüdung in ihm und mir, eine Gräue, man könnte sagen ein Altern, das nicht durch Abnützung und Verbrauch, ja nicht einmal durch Gewöhnung oder Erschöpfung durch das Tun eingetreten zu sein schien, nein, ein mit dem Ganzen, dem Gesetz, dem Zwang, dem Berg selbst in seinem Grau, mit der Hoffnung des Ganzunten auch, die doch immer wieder etwas Farbe gegeben hatte: brach. Es war eine Brechung, eine Gebrechlichkeit, ein sich drohend festzusetzen scheinendes Gebrechen, Ja, ein Bruch durch diesen ganzen insichruhenden Kosmos, der zunächst unmerklich nur sich in eine immer größere Lustlosigkeit auswuchs. Eine Unerträglichkeit, die lange, lange Zeit ausgeblieben war, obwohl doch eigentlich immer insgeheim erwartet, als sei ein giftiger Stachel ins Bewusstsein gedrungen, der dort zunächst nur eine kleine Rötung, dann einen kleineren entzündeten Bereich, nach und nach aber eine gehörige Welle aneinandergeketteter Rotflecken zu einer nicht mehr ausbremsbaren Entzündung gesteigert hatte.

Es musste etwas getan werden. Ein Neues, Anderes. Ein Irgendwas irgendwie. Gegen die Zyklen der Bewegung, die Erwartungen des Bergauf, das Unglück des Oben, gegen die Freuden des Bergab und die Hoffnung des Ganzunten. Das Antizyklische: Erwartungsloses. Wunschloses. Freudloses. Hoffnungsloses. : STILLSTAND!

Der Stein und ich blieben im Ganzunten still nebeneinander sitzen. Ich schloß die Augen.
Sobald ich selbst nicht mehr arbeitend in Bewegung war, fing etwas an, in mir zu arbeiten. Auch im Stein innen. Ich konnte es fühlen, denn er strahlte Wärme ab. Wir begannen zu dauern.






© Susanna  Bummel

 



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