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Begegnungen der besonderen Art



bigvogel
 



hat diesen Text im März 2001 in Großzimmern vorgelesen. 
 


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Gedichte

Der Katzenkönig, nach einer eingebildeten Begebenheit

Manisch, die Sache mit dem Ei



 

 


    

 

 


            

  

Bigvogel


Dem alten Gotthilf Bighvogel aber, so lange er lebet soll auf seinem Meierhof zum Auszug eines Hofgesinde Brösung und Ration  verabfolget werden.

Jedoch soll auch verpflichtet sein, für seinen Auszug in seinem Hause gemäß was arbeiten sollt und weiter alle Tagh ins Kirchel bei der  Mutter Gottes fürs Heyl beten sollt.

Und daß, wann sich ein Käufer findet und der alte Bighvogel durch Todt  abgangen ist, ein Erbgeld zu zahlen ist, daß die üblichen heiligen Messen gelesen werden können.

 Gegeben zu Harras, den eynundzwanztgen Jänner 1740

Lebenslauf? aber bitte!  

Geboren als Enkel des 1. Offiziers des Kanonenboots SMKKS Donauland (seiner Majestät Königlich-Kaiserliches Schiff der österreichischen Kriegsmarine) nach den ersten Nachkriegswirren in einer ehemaligen österreichischen Kolonie und aufgewachsen in Tanger und Australien, Privatunterricht in deutscher Sprache, danach mehrere Jahre Reiseführer am Great Barrier Riff und zwei Jahre  Militärgefängnis in Exmouth. Geflüchtet und kurze Zeit in Neuseeland, danach ausgewiesen nach Österreich und nach Deutschland emigriert. Nach Abendschule Studium in Berlin, Heidelberg und Frankfurt. Lebt als Selbständiger in der Provinz und hat zwei Kinder.

Schreibt gelegentlich Kurzgeschichten für Zeitungen und veröffentlicht zunehmend im Internet.



Eine Verbeugung vor den großen Dichtern Prags.

Die Untiefen der Städte

Am ehesten war es immer kurz nach dem Regen zu erkennen. Es nahm dann in Umrissen eine graublaue Färbung an und saß mit Vorliebe unter den Blättern der großen Kastanie, die durch den Aufprall der Tropfen zu Zittern begonnen hatten, aber weitgehend die  Feuchtigkeit und die damit  verbundenen Unbequemlichkeiten von ihm abhielten. Das konnte so seine fünf oder acht Minuten dauern, dann wurde ihm die Luft zu  feucht und es  verschwand in einem Ritz des großen Baumes, wo es, wie wir Kinder glaubten, sich hinter der warmen Borke gemütlich machte und oft  tagelang  nicht hervorkam.

Es konnte aber auch sein, daß es sich auf einem der großen Moldaudampfer versteckte und beobachtete, wie der Heizer im düsteren  Kesselraum Tonnen von Steinkohle in den Schacht schaufelte, wie Funken knackend, knistern und sprühend auf den verkohlten Dielen umherfuhren und man spüren konnte, wie der Druck in den rostigen Rohren unerträglich wurde und das Schiff sich ächzend und stöhnend gegen die  Strömung stemmte.

Manchmal stand es auch an der Treppe zum Maschinenraum, wo man einen freien Blick zur Moldau hatte und sah zu, wie der Kapitän in  einer weiten Kurve an einer Brücke vorbei steuerte. Es erkannte, daß es unmöglich sein würde, die Brücke zu unterfahren und daß die Brücken  viel zu alt  waren und aus einer Zeit stammten, als es noch nicht ging, solche großen Dampfer gefahrlos an den Untiefen der Städte vorbeizuführen.

Das waren die Augenblicke, in denen es ihm fast egal gewesen wäre, entdeckt zu werden.

 


© Bigvogel



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