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Begegnungen der besonderen Art



b
igvogel 
hat diesen Text im März 2001 in Großzimmern vorgelesen. 
 


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Lebenslauf

 


    

 

 

 

 


            

Das Schrillen im Wind

Kroll traut sich lange nicht, sein Versteck zu verlassen. Er sieht auf die Tür, die sich ohne Unterbrechung in ihren Angeln bewegt. Er lässt die Tür nicht aus den Augen. Diese Regelmäßigkeit. Das Türblatt schwingt unablässig hin und her und fällt nie in das Schloss, genau genommen kommt es nicht einmal in dessen Nähe. Die Scharniere knarren nicht, kein Geräusch, Kroll hat den Eindruck, sie bewegten sich in schaumblasigen Ölschichten. Und doch ist etwas zu hören, es scheint von dem Türblatt selbst auszugehen, als ob es aufgespannt sei, ein Schrillen im Wind, das Flattern in den Erdbeerbäumen. Er lehnt sich zurück und schließt die Augen. Um ihn ist es hell. Das Licht ist von einer diffusen Zerbrechlichkeit, Licht kann auch durch Wände scheinen.

Die Scharniere tropfen. Das Öl sammelt sich in dunkelblauem Malachitgeschirr, das sich bald vollgesaugt haben wird.

Zum Drittenmal kommt der Vogel vorbei. Er füllt mit seiner Gestalt fast den Türrahmen. Kroll steht auf und bewegt sich zögernd auf ihn zu. Er weiß, dass er jetzt handeln muss. Als er ganz nah vor ihm steht, tritt der Vogel fast respektvoll zur Seite. Natürlich weiß Kroll, dass es sich um ein Naturgesetz handelt. Er greift nach dem öligen Geschirr und tritt durch die offene Tür. Es ist ein blauer Himmel und weiße Wolken ziehen vorbei. Im Hintergrund sieht er einen Bach. Der Vogel sitzt auf einem Baum und hat die Flügel ausgebreitet.

So hat sich Kroll die Welt vorgestellt.




© Bigvogel



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