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Begegnungen der besonderen Art






 

Liebe und Langeweile 


(für Christina) 



Sie zündete eine gewöhnliche Kerze an, die in einer Weinflasche steckte. 
Früher hatte sie das originell und unabhängig gefunden. 
Jetzt fand sie es langweilig, aber es kam ihr keine Alternative in den Sinn. Kerzenhalter waren öd. 
Sie ging ein paar Mal durch das Zimmer, dann sperrte sie die Tür zu. 
"Nein. Ihr nicht. Nicht ihr," lief es ihr unsinnig durch den Kopf. 
Sie machte wieder einige Schritte und wunderte sich, dass sie sich unfrei fühlte. 

Zwar schaltete sie "coole" Musik ein, was sie auch momentan beruhigte, aber insgesamt beunruhigte sie es doch mehr. 
Aufgeregt tanzend lief sie hin und her. 
Nach einer Weile, war ihr das zu viel und sie machte die Musik einfach aus. 
Aber was nun? 

Ihr war, als ob sie eben eine interessante Tätigkeit aufgehört hätte. 
Aber was war das nochmal? Warum war sie so zerstreut? Sie blickte im Zimmer herum, auf der Suche nach einer Lösung und musste sich ordentlich belächeln, als sie die Antwort auf ihre Frage in einem Topf ungeschälter Kartoffeln erkannte. 
"Bin ich nun hungrig, oder warum erscheint mir Kartoffelschälen, als eine interessante Aufgabe?" 
Oder wünschte sich Anna das Schälgeräusch, ohne Gedankten, wie ein Passience-Spiel? 

"Nous sommes des soeures jumelles mais sous le signe des Gémeuaux..." 

War das nicht ihre Musik? Ihr Leben? Ihre Wohnung? 
Was sollte sie wohl daran hindern frei zu sein? 
Aber die Frage ist extra falsch gestellt, sie müsste natürlich anfangen mit "wer". 

Genau da klingelte es. 

Wer sollte es wohl sein, das war natürlich er. Sie nahm ihm zunächst die Jacke liebevoll ab und schmiss sie dann in eine Ecke, wie ein gemeines Ungeziefer. 
Franz bemerkte nichts, denn er war, wie er erklärte, heut sehr müd. 
"Wie geht´s," fragte Anna mit süßer Stimme: 
"Magst du Tee, Kaffee, Wein?" 
"Gegen Wein hätt ich grad nix. Ich habe Lust mich zu entspannen, heute war soviel los, ich kanns dir garnicht sagen..." und er gähnte häuslich. 

Anna ging zur Küche, schenkte gastfreundlich ein gutes Glas ein und kam zurück, um einen tief schlafenden Mann vorzufinden. 

"Schläfst du eingentlich schon," sagte sie, um ihn aufzuwecken und zog ihn dabei am Ellenbogen, der so einladend herausragte. 
"Nein, ich schlaf nicht," antwortete es humoristisch. 
"Willst du noch den Film schaun, oder nicht? Aber dafür musst du schau-en," sagte sie. 
Anna hatte nämlich von der Videothek eine Hamletverfilmung geholt- der Franz war eigentlich ein Kulturfan. 
"Ich schau ja. Siehst du nicht mein drittes Auge? Ich seh alles." 
Franz tippte sich ganz oben auf den Kopf. 
"Ne, drittes Auge, hör auf! So´n Quatsch! Du musst mit echten Augen schaun, sieh mal, so!" 
Und sie machte vergeblich vor, wie man zu schauen hatte, denn der Schnarchende schnarchte. 

Sie machte die DVD an und hörte nicht auf ihn zu zwicken und zu ziehen. Zwischendrin meinte sie: 
"Du! Hab ich dir das umsonst gebracht, oder wie?" 
Dabei biss sie ihn in den Bauch und zeigte darauf hin auf das Glas Wein. 
Mit schon geschwollenen Augen tat er einen Schluck, murmelte sehr kurz "Danke" und schnarchte von Neuem. 

Anna schaute also wohl oder übel den Film, den sie niemals ausgeliehen hätte ohne ihn. 

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"Ich möchte Abschied von Euch nehmen," sprach Polonius. 
"Es gibt nichts, was ich lieber von mir fahren ließe, außer mein Leben, außer mein Leben!" 
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Da lachte Anna herzlich und sagte: "Besser wär: Außer einem Furz, außer einem Furz!" 

Und es ergötzte sie, aber Franz schnarchte. Das war vielleicht nervig. 

Anna nahm einen Schluck von seinem fast unberührten Wein, einen solchen Schluck, dass ihr die Augen direkt feucht wurden und sie keine Lust mehr hatte auf weitere Schlücke. 

Aber was für ein blöder Abend! Sie nahm seinen Kopf bei den Haaren und küsste ihn auf den Mund. 
Keine Reaktion. Da grub sie ihre Hand unter die Tagesdecke auf dem Sofa und strich da ohne weitere Ideen herum. Sie beschloss tiefer zu gehen, eine kleine Reaktion war da schon, das war nicht zu leugnen, aber diese war zu ephermer, obwohl sie dafür die Jeans knopfweise geöffnet hatte. 

Blieb freilich nichts anderes und sie wanderte mit dem Mund den Weg dahin..., küsste Bauch und alles andere und dann, ja, dann wurde der ganze Mensch allmählich wach- egal ob er vorher im Tiefschlaf war, nun, was wirkt, das wirkt. 

Wie ein Lebewesen vom anderen Stern, oder ein blinder Maulwurf, suchte er mit dem Mund nach ihren Brüsten, als wolle er Milch nehmen. Franz nahm Anna unter sich und das war nur irgendwie angenehm. 

Da gab er Töne von sich, die dem Schnarchen in keinster Weise glichen und sogar Anna ließ für einen kurzen blödsinnigen Moment ein fröhliches Seufzen verlauten. 

Aber so ganz einfach verlief das doch nicht und ganz plötzlich gab er einen Laut von sich und warf sich unsensibel auf ihre Brust. Dann schlief er wieder und zwar SEHR tief. 

Sie schüttelte seinen Körper in der Hoffnung, dass er von selber von ihr abfallen würde, was auch geschah. 

Anna, wach und zerquält, ging ins Nebenzimmer und zündete sich eine Zigarette an. 

"So," dachte sie "was ist an diesen Männern eigentlich, dass ich nicht ohne sie schlafen kann?" 

Sie hatte nicht schlecht Lust zum Fenster zu gehen und von da nochmal eben die Welt zu betrachten. 
Aber die Fenster waren schmutzig und es war nicht leicht rauszuschauen. Es machte keinen Spaß. 
Was war Spaß? 

"Spaß gibt es nicht," dachte sie in traurig-kindlicher Stimmung und beschloss sich neben Franz zu legen und zu warten, bis sie einschlief. 

Oder sich nochmal schminken und ins Café gehn? 
Da waren jedenfalls Leute, die nicht schliefen. Schwer zu entscheiden. 




© Katarina Cuellar

 
 

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