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Begegnungen der besonderen Art






 

fiktive antwort auf fiktiven brief


lieber..., 

ich las deinen brief nicht ohne tiefes erschrecken. 
solltest du es gewesen sein, der ihn geschrieben hat? 
wohl war es deine schrift und dein name war unterzeichnet. 
aber war der brief dann an mich gerichtet? 
ganz deutlich stand mein name in der anrede. 
und doch 

wir haben uns lange nicht gesehen. vielleicht hattest du ein erfreuliches erlebnis mit deiner mutter, vielleicht war ein kassierer im supermarkt aus unerfindlichen gründen freundlich nach deinem geschmack. und du sagtest dir: 
weshalb sollte den alles schwierig sein? 
ich schreibe ihr einen brief. 

doch was du dort vorbrachtest über das verzeihen, du appeliertest, ohne es zu sagen, an den verstand, an die psychologische vernunft. 
und ich komme nicht aus dem staunen, denn du wie ich, wir wissen sehr gut, dass es tieferes gibt als das. 

das sinnbild unserer liebe, war dieses messer, das du einmal heim brachtest, nach dem du neben ihm bei der isar aufgewacht bist. 
was für ein zeichen schon allein! 
aber dass du dich damals davon nicht getrennt hast, sondern statt dessen zu mir brachtest (mit seltsam düsteren augen, funkelnd) und sogleich damit brot schneiden wolltest! 

so ist unsere liebe heute: unheilverkündend, fatal, und wie zur verletzung (wenn nicht zum töten) gemacht. 

und du gibst vor all das verschwinden zu lassen, mit einem bloßen appell an die vernunft? 

verzeih mir, so verzeihe ich dir. 

das sagtest du. 

was sollen wir verzeihen? 

es war ein zauber, der sich ins gegenteil verkehrt hat. 

oder raisonnierst du seit neuestem mit dämonen? 

ich schreibe das alles, als wäre es nichts. 
ich antworte nur, weil es mich immer zu worten treibt. und wenn worte, dann zu gezielten und vielleicht erhörten. 

wir sind beide nicht für den willen gemacht. 
besser gesagt, wir sind für den willen gemacht, damit er mit uns tue und lasse, was ihm beliebe. 

oder erinnerst du nicht nicht an die zerfleischung, an die plötzliche und fast omnipotente jugend, die von uns besitz ergriff, als wir es liebe nannten? 
und das plötzliche alter, die schwere und alles andere: 
eintreffend pünklich, wie der herbst im sommer? 

und du glaubst "verzeihen" sei möglich, bei willensschwachen menschen, wie uns? bei solchen, die nicht vergessen können? 

wie recht haben die orthodoxen religionen, die poesie zu verbieten, wie die freie liebe. 
das ist doch kein unsinn, es kann ganz und gar zugrunde richten. das alles. das leben. 

oder bist du töricht geworden? 
das glaube ich nicht. 
oder bist du noch älter als ich geworden? 
hat dich das vergessen dennoch gepackt? 

ich glaube kaum. 
ich sah dich doch letztens. 
es war am hauptbahnhof. 
sahst du mich auch? 
du warst so traumvergessen, ich konnte dich nicht sehen. 
ich glaube ich habe dich angestarrt, aber nicht gesehen. 
du schienst wie ein traum, einer den du selbst träumtest. 
ich lief davon, ich wollte deinen blick nicht auf mir. 
doch bevor ich ganz hinten in den zug einstieg- 
da sah ich eine gestalt ganz am ende des gleises. 
unbeweglich. 
ich blickte zurück. zum trotz. 
warst du es? 

aber wissen will ich es nicht. 

und: um himmels willen. 
schreibe mir keine torheiten mehr. 

das "wir" war aus wasser. 
und du weisst, wie zerstörend das wasser sein kann. 


gruß, ...




© Katarina Cuellar

 

 

 

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