Deine Müdigkeit
Du bist müde und es steht dir.
Ganz ohne Gedanken an dich selbst, legst du dich hin.
An deinem Kopf fange ich an.
Ich wickle deine Locken um den linken Zeigefinger, lasse die
Haarlocken dann entgleiten.
Wirklich: die meisten grauen Haare sind an den Schläfen. Das ist wohl
immer so.
Deine eigentliche Haarfarbe ist undefinierbar. Würde mich einer danach
fragen, ich würd sagen: farbloses Rot.
Mein Blick geht träge deinen Hals hinab von hinten.
Da ist ein Geheimnis, vielleicht eine Tragödie, vernarbt.
Wie lang du mir nicht sagen wolltest, woher die großen Narben. Und mit
welcher Intuition ich immerzu immerzu danach fragte.
Einmal warst du dann wohl zu nachgiebig die Geschichte zu verbergen.
Du sagtest ohne Lust so etwas wie:
Ich war jung, da war eine Axt, keine Lust zu Leben (den Rest hab ich
entweder nicht verstanden oder vergessen oder beides: da muss wohl
eine unerfüllbare Liebe gewesen sein, oder eine Vollzogene, die
gewisse sehr subjektive Wünsche aus deinen Augen leuchten ließ, die
aber doch nicht erfüllbar waren oder so! Was weiß ich denn!).
Weiter geht mein Blick: von hinten deine Schultern.
Welche Menge an Sommersprossen! Man möchte fast sagen: ein
Sternenhimmel bloß umgekehrt.
Die hast du seit Griechenland eines Jahres. Alleine warst du da sicher
nicht. Warum auch? Trotzdem neide ich deine Vergangenheit und
verfluche sie fast.
Hinunter den Rücken, die Kurve, die Haut ganz weich.
So weich ist dein Gesicht nicht. Kein Wunder eigentlich.
Vielleicht tragen die arabischen Frauen deshalb einen Schleier: zur
Weich-erhaltung der Gesichtshaut.
Es ist ihnen kaum zu verdenken.
Dumme westliche Welt mit tumben Träumen, unerfüllbaren.
Du schläfst.
Ich nehme deinen linken Arm und lege ihn um meinen Kopf.
Jetzt kann ich dich auch von vorne sehen, wenngleich dunkel.
Deine Brust und alles was darauf ist: ein roter Punkt, hier.
Wie ein Mückenstich, ist aber keiner, ich bin sicher.
Dran kratz ich herum, ich habe wohl nichts zu tun oder ich bin wohl
nicht müde oder ich will dich vielleicht ín Wahrheit wecken.
Zuerst gähne ich dezent, dann laut, du schläfst, ich nicht.
Ich will auch nicht.
Das Licht ist aus, aber die Autos die vorbeifahren, werfen gleitende
Lichtfenster an die Decke und das ist unterhaltsam.
Ich sehe sie und schlafe sicher bald, aber noch nicht. Ich denke noch
an dein Leben. Ich denk mir, vielleicht habe ich keins gehabt, obwohl
ich es so gewollt und versucht habe.
Wäre das traurig oder gut oder normal?
Dein Mund ist offen, du schnarchst.
Das nervt jetzt aber gar nicht. Ich denke irgendwas und es unterhält
mich, nachher denk ich nichts mehr und bekomme es auch nicht mehr mit
und ich fang an zu schlafen, dreh den Kopf, atme deinen Geruch und
meinen, und ich bin abwechselnd davon überzeugt, dass ich ohne Schuhe
in der U-bahn fahre oder dass ein Mann mit weißem langem Bart auf
unserem Tisch schläft, wohl ein orthodoxer Priester.
© Katarina Cuellar
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